Januarius Zick
Schäferszene am Brunnen
Am Rand eines Brunnenbeckens sucht ein Hirte die vor ihm stehende Schäferin mit beiden Händen zu umfassen und zu sich zu ziehen. Sie scheint noch unentschlossen zu sein, wie ihre Schrittstellung andeutet. Zick hat den Moment kurz vor dem entscheidenden Handlungsumschwung dargestellt, um dem Betrachter ein spannungsreiches Genrestück zu bieten. In Gestik, Mimik und Körpergebärden kann er die Protagonisten sprechen lassen. Ihre intensiven Gefühle hat Zick dabei noch zu steigern gewusst durch den Kontrast mit der Ruhe und fast demonstratives Unbeteiligtsein der Tiere am Brunnen.
Schäferszenen wurden von Zick in verschiedenen Fassungen gemalt, wobei sowohl die Auswahl und Anordnung der Versatzstücke als auch die Abmessung der Bilder und ihre Trägermaterialien variieren. Die delikate Qualität der Arbeiten macht deutlich, dass Zick mit der französischen Rokokomalerei eines François Boucher oder Jean-Honoré Fragonard (siehe jeweils dort) vertraut war. Gleichwohl verraten die bodenständige Naturschilderung und der bäuerliche Figurentypus immer auch eine Nähe zur niederländischen Genremalerei.
Straßer vermutet in der Hamburger Fassung eine Werkstattkopie nach einer heute verschollenen Schäferszene, die 1936 in Paris als ein Werk von Christian Wilhelm Ernst Dietrich (siehe dort) versteigert wurde.1 Zick habe diese eigenhändige Fassung als Gegenstück zu einer in der gleichen Auktion als Werk Dietrichs angebotenen Fischerin gemalt.2 Obgleich zum Hamburger Bild kein Gegenstück bekannt ist, kann darin kein Grund zur Abschreibung gesehen werden, da vergleichbare Fassungen in Dortmunder Privatbesitz und der Staatlichen Museen Kassel ebenfalls keine Pendants besitzen.3 Vielmehr weist die malerische Qualität der Hamburger Komposition auf Zick als Maler von Inv. 537. A. H.
1 Schäferszene am Brunnen, Lw., 41 x 32 cm (Verst. Paris [Charpentier], 24. 11. 1936, Nr. 20; s. Straßer 1994, S. 441,
Nr. G 483).
2 Lw., 41 x 30,5 cm, Privatbesitz, München (s. ebd., S. 436,
Nr. G 455, Abb. 206). Eine größer dimensionierte, in Münchner Privatbesitz befindliche Fassung der Schäferszene (Lw., 55 x 40,5 cm; ebd., S. 441, Nr. G 482, Abb. 215) besitzt gleichfalls ein Pendant, die Brieflesende Fischersfrau (Lw., 56 x 39 cm, Kunstmuseum Düsseldorf, Inv. 217; ebd., S. 436, Nr. G 456, Abb. 406).
3 Schäferszene am Brunnen, Lw., 32 x 23 cm, Privatbesitz, Dortmund, sowie Schäferszene am Brunnen, Zinn, 16,7 x 13 cm, Staatliche Museen Kassel, Neue Galerie, Inv. 1425 (s. ebd.,
S. 441, Nr. G 484 und Nr. G 485; beide als in den 1760er Jahren entstanden). Zwei weitere auf Holz gemalte Tafeln mit diesen Schäferszenen deutet Straßer als Kopien (vgl. ebd., S. 472,
Nr. Gc 100 und Gc 101).
AUSST.: Januarius Zick. Verzeichnis der ausgestellten Gemälde, bearb. v. Joseph Koenen, Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1934 (Ms.), o. S., Nr. 39.
LIT.: Katalog 1921, S. 203; Katalog 1930, S. 191; Adolf Feulner, Nachträge zum Werk des Januarius Zick, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 9, 1936, S. 176; Max Goering, Notizen und Nachrichten. 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 7, 1938, S. 99; Katalog 1956,
S. 175; Katalog 1966, S. 183; Othmar Metzger, Neue Forschungen zum Werk von Januarius Zick (II). Zicks Gemäldenachlaß, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 28, 1966, S. 302 (zu Nr. 29); Josef Straßer, Januarius Zick 1730-1797. Gemälde, Graphik, Fresken, Phil. Diss. München 1989, Weissenhorn 1994, S. 471 f., Nr. Gc 99 (»wohl Werkstattkopie«).