Karl Hofer

Freundinnen, 1923/24

Seit einem frühen, mehrjährigen Aufenthalt in Rom strebte Hofer eine Synthese von moderner Malerei und zeitloser Klassik an. In dem Gemälde Freundinnen stehen zwei junge Frauen exponiert in fester Umarmung vor einer hügeligen Landschaft. Die größere blickt frontal aus dem Bild, während die andere, ganz in sich gekehrt, bei ihr Geborgenheit sucht. Die Frauen geben einander Zuwendung und Trost, das Inkarnat der beiden strahlt vor dem nächtlichen Hintergrund Wärme aus. Den flächigen Farbfeldern des Himmels setzt Hofer das betonte Volumen der Figuren mit ihren holzschnittartig modellierten Gesichtern entgegen. In der Formensprache der Moderne schafft er ein Bild, dessen Symbolik Gültigkeit über die Zeit seiner Entstehung hinaus beansprucht. Über die Motivation für sein Schaffen schrieb Hofer: „Das Zentralproblem der bildenden Kunst ist und bleibt der Mensch und das Menschliche.“ Noch nach 1950, als die Abstraktion im Westen vorherrschend geworden war, trat Hofer als Hochschullehrer in West-Berlin streitbar für die figurative Kunst ein.

Daniel Koep


"Freundinnen" gehört zu einer Reihe von Paarbildern des aus Karlsruhe stammenden Malers Karl Hofer, in denen die Dargestellten sich umarmen und aneinanderschmiegen. Eine vorbereitende Kohlezeichnung zeigt noch zwei Akte in einer zugewandteren Pose. Im ausgeführten Gemälde erscheinen die Figuren dagegen zurückhaltender. Sie schauen sich nicht an, sondern in verschiedene Richtungen aus dem Bild heraus. Auch ihre Umarmung ist weniger innig. Nur eine Frau ist nun als Akt dargestellt und wirkt dadurch im Vergleich zur leicht bekleideten zweiten Figur exponierter. Insgesamt erscheinen die beiden zwar in enger Verbindung, aber doch vereinzelt vor einer kargen Landschaftskulisse. Die Gesichter sind beinahe maskenhaft gestaltet, die Körper, wiewohl nicht abstrahiert, mit ihren geraden Linien eher spröde und kantig, dabei gleichzeitig zart. Verletzlichkeit und Stärke halten sich die Waage, die Freundinnen scheinen sich gegenseitig Schutz und Beistand zu bieten.

Hofer erotisiert seine Figuren nicht, sondern erfasst sie in ihrem nackten Menschsein. Deren kühle, isolierte Körperlichkeit veranschaulicht die Situation vieler Menschen in Deutschland nach der moralischen und wirtschaftlichen Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Dabei stellte Hofer weder individuelle Schicksale noch einen historischen Moment dar. Seine Bildfindung wird vielmehr zu einer allgemeingültigen, überzeitlichen Chiffre für das Dasein und die der Freundschaft innewohnende Kraft.

Im Gegensatz zu vielen seiner Kolleg*innen war Hofer nicht parteipolitisch engagiert, sprach sich aber schon zu Beginn der 1930er-Jahre gegen faschistische Anfeindungen aus. In der Folge wurde er schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten von seiner Professur an der Berliner Akademie der Bildenden Künste suspendiert und im Sommer 1934 entlassen. Das Gemälde "Freundinnen" gehört zu den acht Werken des Künstlers, die 1937 in der Ausstellung »Entartete Kunst« gezeigt wurden und zu den mehr als 300 seiner Werke, die in deutschen Museen beschlagnahmt wurden.

Juliane Au

Details about this work

Öl auf Leinwand 100cm x 81cm (Bild) 114cm x 96cm (Rahmen) cm x cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben 1924; beschlagnahmt durch die Kommission für »Entartete Kunst« 1937; wiedererworben 1947 Inv. Nr.: HK-2832 Collection: Klassische Moderne © Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn Foto: Elke Walford

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