In gleicher Technik gearbeitet bei etwas kleinerem Format ist eine Zeichnung in London.(Anm.1) Beide Blätter können zweifelsfrei Simon de Vlieger zugeschrieben werden angesichts der charakteristisch großzügigen Pinselführung und des kontrastierenden Helldunkels. Ihre besondere Rolle im gezeichneten Œuvre De Vliegers verdanken sie dem historischen Thema. 1638 – und nicht 1637, wie Harzen in seinem Inventar notierte – reiste Maria de’ Medici nach Spa und wurde aus diesem Anlass von Statthalter Frederik Hendrik in ’s-Hertogenbosch feierlich begrüßt. Es war der erste Besuch der 1631 aus Frankreich geflüchteten, von ihrem Sohn Ludwig XIII. des Hochverrats bezichtigten Königinmutter in den Unabhängigen Niederlanden. Das höfische Protokoll wird genau beschrieben in Puget de la Serres „Histoire de l’entrée de la Reyne Mere“ aus dem Jahre 1639.(Anm.2) Es ist anzunehmen, dass Simon de Vlieger als Augenzeuge diesem Ereignis beiwohnte.(Anm.3) Vermutlich geht auch die entsprechende Illustration bei Puget de la Serre auf De Vlieger zurück; die Übertragung der Konturen auf die Rückseite des Blattes weist jedenfalls in diese Richtung.(anm.4) Dabei wurde die Darstellung in Format, Perspektive und Komposition leicht abgewandelt: Die Landschaft ist auf dem Stich in Vogelperspektive wiedergegeben, die Stadtsilhouette wurde hinzugefügt und die Kutschenprozession ergänzt um zahlreiche Reiterkompanien im Vorder- und Mittelgrund und einen weiteren Kutschenzug in der Ferne.

Annemarie Stefes

1 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1886,0706.8 (177 x 202 mm), Christiaan P. van Eeghen: Simon de Vlieger as a Draftsman, I: The Pen Drawings, in: Master Drawings 44, 2006, S. 3-47, Abb. 12.
2 Jean Puget de la Serre: Historie de l’entrée de la Reyne Mere (…) dans les Provinces Unies des Pays Bas, London 1639.
3 Schaar, in: Ausst.-Kat. Hamburg 1994/95 und nach ihm Christiaan P. van Eeghen: Simon de Vlieger as a Draftsman, I: The Pen Drawings, in: Master Drawings 44, 2006, S. 3-47, S. 16.
4 Harzen und nach ihm Schaar, in: Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994 hielten De Vlieger für den Urheber der unsignierten Radierung (H. und B. deest).

Details about this work

• Label

  Beschriftung fremd: Verso bezeichnet oben Mitte: "Schellings" (Bleistift, teilweise ausradiert); unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

• Watermarks / Chain Lines

  Basilisk, Heawood deest (über Basler Wappen, darunter Stab und drei Kugeln), vom Typ vgl. RPK W 46 (mit Verweis auf Tschudin 308, 309)

• Provenance

  Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 73: "Simon de Vlieger, Verfolg. Eine Cavalcade von Staatscarossen und Reisewagen auf offener Haide mit zahlreicher Begleitung von Cavalieren und Dienerschaft, die Ankunft der Königin Maria von Medizis [Medici] auf Holländischem Gebiet vor Hertoghenbosch im Jahre 1637 darstellend, wo sie von dem Prinzen von Oranien bekomplimentiert wird. Skizze in Feder und Tusche 15.5.9.4 benutzt für ein vom Künstler radiertes Blatt zu de la Serre Histoire de l´entree de la Reine Mère - dans le Provinces unies des. Londres {18} 1639 fol."; NH Ad: 02: 01, S. 274); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

• Bibliography

  Rembrandt und sein Jahrhundert, Bearbeitet von: Eckhard Schaar; Hamburger Kunsthalle, 1994, Abb. S. S. 115, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 119

  Simon de Vlieger as a Draftsman, I: The Pen Drawings, Christiaan P. van Eeghen, 2006, S. 5, 16, 29, Abb. S. 13, Abb.-Nr.

  Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, Stefes, Annemarie; Herausgeber: Hubertus Gaßner und Andreas Stolzenburg, 2011, S. 582-583, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 1112