Wilhelm Lehmbruck
Betende, 1919
Während des Ersten Weltkriegs konzentrierte sich der bekennende Pazifist Wilhelm Lehmbruck auf Bildnisse, die er als Aufruf zu friedvoller Menschlichkeit verstanden wissen wollte. Sein letztes Schaffen im Zürcher Exil, vor seinem Freitod 1919, war geprägt von einem fragmentarischen Stil, in dem er expressive Torsi gestaltete. Exemplarisch dafür ist die gerüsthafte Abstraktion dieser weiblichen Halbfigur mit ihrer Betonung linearer Achsen und stereometrischer Grundformen. Rumpf und Glieder der Betenden sind fast bis zur eisernen Armierung des Kunststeins abgemagert. Dem asketischen Äußeren entspricht die innere Konzentration auf ihre Fürbitte. Sie hat ihren Blick auf unsichtbar Fernes gerichtet. Eine Spannung zwischen geistigem Dort und körperlichem Hier tritt hervor. In zeitloser Nacktheit erscheint die Frau mit Schleier als eine Pietà, welche die Toten des Krieges beweint, oder, wie Lehmbruck es beschrieb, als »eine Frau, die den Krieg zu Tode betet«. Zugleich gab der Künstler dem Gesicht die Züge der von ihm unerwidert geliebten Schauspielerin Elisabeth Bergner, von der er hoffte, aus seiner Depression gerettet zu werden. Lehmbrucks Figur enthält alle Trauer über die Gegenwart und zugleich ein utopisches, weil hoffendes Element. Sie ist auf den Frieden Europas gerichtet.
Dagmar Lott-Reschke
Details zu diesem Werk
Schubert 99/A/1,
Wilhelm Lehmbruck (1881 - 1919), 1918 - ? (1); [...] (2); Heinrich Hudtwalcker (#### - ####), ? - ? (3); Carl Heinrich (1912 - 1991) und Olaf Hudtwalcker (#### - ####) (Söhne des Vorgenannten), Oslo ? - 1980 (4); Ankauf von dort, 1980
1) #
2) Bislang unbekannte Provenienz/en.
3) HAHK: 32-223.7 Ankäufe für die Plastik- und Medaillensammlung (Slg 3), 1.4.1962-31.12.1987, Lehmbruck (2). Schreiben von Werner Hofmann, Direktor der Hamburger Kunsthalle, an den Zweiten Bürgermeister Prof. Dr. Dieter Biallas, Behörde für Wissenschaft und Kunst, Hamburg, 24.2.1977. Hier auch der Verweis auf den Vorgang in Akte 243.5.
4) Die Arbeit befand sich seit ca. 1966 als Leihgabe in der Hamburger Kunsthalle. Die Ankaufssumme belief sich auf 150.000 Deutsche Mark. Die Rechnung ist auf den 23.11.1979 datiert.
Stand: 4.9.2020, Ute Haug.
Status: in Bearbeitung (die mit # markierten Stellen sind noch zu ergänzen), ungeklärt.
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Die dritte Dimension. Plastiken, Konstruktionen, Objekte. Bestandskatalog der Hamburger Kunsthalle, Herausgeber: Georg Syamken, 1988, S. 266-267, Abb., Abb.-Nr.
Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Herausgeber: Ulrich Luckhardt, Uwe M. Schneede; Hamburger Kunsthalle, 2001, Abb. S. S. 156, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 88
Wilhelm Lehmbruck. Catalogue raisonné der Skulpturen. 1898 - 1919, Dietrich Schubert, 2001, S. 322-323, Abb. S. 101, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 99.A.1
Glanzstücke. Meisterwerke der Hamburger Kunsthalle, A. Koep, A.Heinze, A. Stolzenburg, B. Kölle, Ch. Heinrich, D. Klemm, D. Lott-Reschke, F. Britsch, J. Grave, J. Howoldt, J. Hoffmann-Samland, K. Schick; Herausgeber: Ekkehard Nümman für die Freunde der Kunsthalle e.V., 2018, S. 122-123, Abb., Abb.-Nr.
Referenz: Moderne Blicke - Modigliani, Herausgeber: Christiane Lange; Herausgeber: Ortrud Westheider; Herausgeber: Nathalie Lachmann; Herausgeber: Michael Philipp; Herausgeber: Daniel Zamani, 2023, S. 81, Abb. S. 82, Abb.-Nr.