Jan Baegert

Johannes der Täufer

701 Hl. Johannes der Täufer

Eichenholz (wie Inv. 700), 71,6 x 50,5 cm.
ZUSTAND: Über die ganze Fläche des Bildes ist punktuell die Farbschicht abgelöst; zahlreiche sichtbare krakelierte Retuschen, besonders in der Mitte rechts, auf dem Mantel der Figur und den vertikalen Verbindungen der beiden Tafeln. Mechanische Schäden (Kratzer) in der Mitte am linken Rand sowie abblätternde Farbschicht an den Bildrändern. Trennung der Tafeln nicht vor 1938.

PROVENIENZ BEIDER TAFELN: Slg. Fincke, Wesel; Slg. Büning, Wesel; Kunsthandel Paul Cassirer, Berlin 1929; Inz. Amsterdamsche Kunsthandel Paul Cassirer & Co., N. V., Amsterdam, 1929-1938; Johannes Hinrichsen, Berlin 1938; 1942 erworben; Dauerleihgabe an die Kirche St. Johannis-Eppendorf, Hamburg.

Die Tafeln mit Johannes dem Täufer und der hl. Katharina mit einem Stifter stellen Seitenteile eines beidseitig bemalten Altarbildes dar. Zu diesem gehörte als Mittelteil die Darstellung Mariens mit dem Kind,3 die andere Seite zeigte eine Heilige Sippe.4 Der Altaraufsatz bestand aus nur einer Tafel, war also nicht verschließbar und musste im freien Raum stehen, wobei nicht sicher ist, welche Seite als Vorderseite diente. Die ursprüngliche Herkunft ist unbekannt; nach seinem späteren Aufbewahrungsort wird das Werk als »Weseler Altar« bezeichnet. Wahrscheinlich nach 1934 wurden die Tafeln auseinandergesägt.5
Beide Heilige sind durch die Schreibbänder in den Nimben auf grünem Grund (Sanct[us] Johannes und Sancta Maria) sowie durch ihre Attribute identifizierbar. Die Figuren stehen in einem Raum, der durch eine laminierte Holztäfelung begrenzt und zum Betrachter hin durch vorgesetzte Arkaden geöffnet ist. Beide tragen einen Umhang mit Schmuckkragen, die hl. Katharina unter diesem noch ein gemustertes Brokatkleid, weiters einen Fellkragen und das Käppchen einer verheirateten Frau. Die Stifterfigur, welche unterhalb der hl. Katharina kniet, ist mit der Tracht der Augustiner-Chorherren bekleidet, lässt sich aber nicht weiter identifizieren. Ähnliche Stifterfiguren befinden sich auf dem Antonius-Altar und Heilige-Sippe-Altar in der Xantener St. Viktorkirche, beides Werke von Jan Baegert.6
Die Eigenhändigkeit von Inv. 700 und 701 war bis 1972 unbestritten,7 doch wurden seitdem Zweifel angemeldet.8 Wenn über die Mitarbeit der Werkstatt Jan Baegerts auch nur Vermutungen angestellt werden können, ist doch der Zusammenhang mit seinen anderen Werken unübersehbar. Der Weseler Altaraufsatz wird auf Grundlage von Stilvergleichen in die späte Periode des malerischen Schaffens Baegerts eingeordnet und um das Jahr 1530 datiert;9 gelegentlich wird er auch als das letzte bekannte Werk des Meisters bezeichnet.10 Das einzige feste Datum, welches sich zur Einordnung des Bildes mithilfe der Stilkritik anbietet, ist 1524 als Zeitpunkt der Entstehung des Xantener Sippenaltars.11 Somit ist allenfalls eine Einschränkung der Entstehungszeit auf die 1520er bis 1530er Jahre sinnvoll.
Wenn Jan Baegert auch künstlerisch und motivisch eindeutig aus der Werkstatt seines Vaters hervorging, so zeigt der Weseler Altaraufsatz in seinem räumlichen Ausbau Ähnlichkeiten mit einem Werk des zeitgenössischen Malers Gert van Lon in Münster mit der Darstellung der Heiligen Sippe.12 An Jan Baegert wiederum knüpften in mehrerer Hinsicht die Arbeiten der Malerfamilie tom Ring an (siehe Inv. 344). Insbesondere der Figurentypus und die Anordnung des Bildraums im Weseler Altaraufsatz scheinen das Votivbild der Familie Hermann tom Ring von 1592 in der Münsteraner Überwasserkirche beeinflusst zu haben.13
Wie schon die Werkstatt seines Vaters, so benutzte auch Baegert häufig graphische Vorlagen. Die Arkaden, die den Bildraum gliedern, sind mit Renaissance-Ornamenten geschmückt, wie man sie aus der Druckgraphik eines Lukas van Leyden oder Israhel van Meckenem14 kennt. Eine weitere Anregung könnten die Drucke seines niederländischen Zeitgenossen, des Holzschneiders Cornelisz van Amsterdam, gewesen sein.15 Trotzdem lassen sich für Inv. 700 und 701 keine spezifischen Vorlagen bestimmen. Baegert übernahm vor allem allgemeine architektonische Motive, die er zur Konstruktion des Bildraums benutzte, in eine überschaubare Komposition, die durch eine feste geometrische und symmetrische Ordnung gekennzeichnet ist. Diese wird in seinem Werk ferner unterstützt durch die klar angeordnete und ausgewogene Farbkomposition. Trotz der verhältnismäßig kleinen Formate wirken Inv. 700 und 701 wegen dieser Einfachheit und Sparsamkeit der Ausdrucksmittel beinahe monumental. L. H.

1 Siehe A. Stange, Jan Baegert. Der Meister von Kappenberg, in: Westfalen 30, 1952, S. 198 f. Der Notname ging auf das Kreuzigungs-Triptychon in der ehemaligen Prämonstratenserkirche
zu Kappenberg bei Lünen (Westfalen) zurück; Identifizierung anhand einer archivierten Notiz über den für das Kloster Liesborn tätigen Jan Baegert (publiziert in: A. Wormstall, Zur Geschichte der Liesborner und Marienfelder Altargemälde, in: Westfälische Zeitschrift 55, 1897, S. 85 f.). Daneben wurde er auch als Duenwege bezeichnet (vgl. F. Witte, Revolutionäres zur rheinisch-westfälischen Kunstgeschichte. Die Lösung der Duenwege-Frage und ihre Beziehungen zum Meister von Liesborn und Cappenberg, in: Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz 1931, S. 82 f.).
2 Welche Bewandtnis es mit diesem Aufkleber hat, ist ungeklärt.
3 Eichenholz, 71,5 x 55,5 cm, Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Schloss Cappenberg; siehe Tschira van Oyen 1972, S. 48-50, S. 84, Nr. 24, Abb. LII, LIV.
4 Holz, 149,5 x 69 cm, Leihgabe im Städtischen Museum in Mülheim; vgl. ebd., S. 48-50, S. 84, Nr. 25, Abb. 5, Abb. LV.
5 Siehe Ausst.-Kat. Cappenberg/Dortmund 1972, S. 20, Nr. 20.
6 Vgl. Tschira van Oyen 1972, S. 111, Nr. 87, Abb. XVII, und
S. 112, Nr. 91, Abb. XXXVIII.
7 Vgl. Ausst.-Kat. Cappenberg/Dortmund 1972, S. 20, Nr. 20; Tschira van Oyen 1972, S. 48-50.
8 G. Jászai, Rezension zu Tschira van Oyen, in: Westfalen 54, 1976, S. 228-230.
9 Tschira van Oyen 1972, S. 50.
10 Siehe Ausst.-Kat. Cappenberg/Dortmund 1972, S. 20,
Nr. 20.
11 Vgl. Tschira van Oyen 1972, S. 113.
12 Eichenholz, 133 x 154 cm, Westfälisches Landesmuseum Münster; siehe A. Stange, Deutsche Malerei der Gotik, 11 Bde., München/Berlin 1934-1961, Bd. 6 (1954), Abb. 77.
13 Eichenholz, 105 x 151 cm; siehe A. Lorenz (Hrsg.), Die Maler tom Ring, 2 Bde., Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum Münster 1996, Bd. 2, S. 574 f., Nr. 72, Abb.
14 Vgl. K. Steinbart, Der Meister von Cappenberg und die Holländische Graphik, in: Sonderheft Westfalen 22, 1937, S. 255-264; G. Lemmens, Einige Bemerkungen über Israhel van Meckenems Verhältnis zur Malerei, in: Israhel van Meckenem und der
deutsche Kupferstich des 15. Jahrhunderts, bearb. v. E. Bröker, Ausst.-Kat. Kunsthaus der Stadt Bocholt, Bocholt 1972, S. 111-122.
15 Siehe Tschira van Oyen 1972, S. 60.

AUSST.: Jan Baegert, der Meister von Cappenberg, bearb. v. Paul Pieper, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte
der Stadt Dortmund, Schloss Cappenberg 1972, S. 20 f.,
Nr. 20 b und c, Abb. 32.
LIT.: Katalog 1956, S. 96 f. (als Meister von Cappenberg); Katalog 1966, S. 101; Meisterwerke 1969, o. S., Abb. 40, 41 (als Jan Baegert); Gundula Tschira van Oyen, Jan Baegert, der Meister von Cappenberg. Ein Beitrag zur Malerei am Niederrhein zwischen Spätgotik und Renaissance, Gesamtdarstellung und kritischer Katalog, Phil. Diss. Göttingen 1953, Baden-Baden 1972, S. 48-50, S. 83, Nr. 22, Farb-
abb. 6 (Inv. 701), Nr. 23, Abb. LIV (Inv. 700); Gundula Tschira van Oyen, Zu der Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, in: Kunstchronik 25, 1972, H. 12, S. 383, Abb. 4 (Inv. 701); Gert von der Osten, Ein Männerkopf des Jan Baegert, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 14, 1975, S. 79.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 71.6cm x 50.5cm (Bild) Inv. Nr.: HK-701 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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