Willem van Mieris
Frans van Mieris, ehemals

Bildnis eines Kaufmanns, 1670

Vor einer weinumrankten Säule steht ein Herr mit langem, dunklem Haar, den rechten Arm auf eine Brüstung gelegt. Er hält einen Brief mit der Anschrift Mons. Mons[...] / [.]emdeon / [...]ov / Leijde1 in der Hand. Die Kleidung, ein blauer Seidenmantel über braunem Wams, die Manschetten des Hemdes aus venezianischer Spitze und das Bäffchen zeugen von Wohlhabenheit. Auf der Brüstung ist ein persischer Teppich drapiert.2
Die alte Zuschreibung an Frans van Mieris wurde erstmals 1977 von Naumann angezweifelt.3 Die Signatur sei nachträglich über einen originalen Schriftzug gesetzt worden;4 aber auch stilistische Gründe sprechen nach Naumann gegen die Autorschaft von Frans van Mieris. Alternativ schlug er dessen ältesten Sohn Willem oder Arie de Vois (1632-1680)5 als Maler vor. Jener hat sich in seinen frühen Porträts eng an Vorbilder seines Vaters angelehnt. Die Armhaltung von Inv. 631 findet sich etwa in dem Bildnis eines 30-jährigen Mannes von 1669; den Hintergrund nimmt dort bereits eine südliche Landschaft ein.6
Weitere vergleichbare Herrenbildnisse von Willem sind aus den achtziger Jahren bekannt. Ein Bildnis von 1683 in Innsbruck, zu dem ein Gegenstück gehört, hat annähernd das gleiche Format wie Inv. 631 und ist oben ebenfalls abgerundet.7 Das Porträt des Admirals Corneille Martin Tromp von 1686 zeigt die gleiche Komposition, auch dort liegt über der Brüstung ein Teppich; der Blick in die Landschaft wird von einem Pilaster begrenzt.8 In dem weniger feinen Verreiben der Töne des Inkarnats und den mitunter härteren Physiognomien mit stark betonten Augenbrauen und Wangenfalten unterscheiden sich jedoch die Porträts Willems von denen seines Vaters. Der Vergleich mit den datierten Bildnissen legt eine Entstehung von Inv. 631 in die Zeit von 1683 bis 1686 nahe. Die vermutlich nachträglich vorgenommene Rückdatierung in das Jahr 1670 verweist dabei auf das tatsächliche Vorbild. Es ist nicht auszuschließen, daß es ein Gegenstück zu dem Herrenbildnis gab.

Thomas Ketelsen 2001

1 In den älteren Katalogen findet sich die Inschrift Mons. Monsieur [...]endron Koops[?] [...] Leyde.
2 Ydema 1990, S. 165, Nr. 532.
3 Briefl. Mitt. vom 28. 4. 1977; s. ferner Naumann 1981, Bd. 2, S. 181.
4 Naumanns Vermutung läßt sich nicht eindeutig bestätigen.
5 Arie de Vois' Porträt eines Mannes, ehem. Slg. Weber, Hamburg, ist in der Haltung des Dargestellten Inv. 631 ähnlich; Verst. Slg. Weber, Berlin (Lepke), 20.-22. 2. 1912, Nr. 311, Taf. 84.
6 Holz, 23 x 16 cm, Verbleib unbekannt; s. Naumann 1981,
Bd. 2, S. 88 f., Nr. 73. Auf dem Porträt eines Mannes, ebenfalls oben rund abschließend, hält der Dargestellte einen Brief in der Hand. Das Gemälde, zu dem ein Pendant mit der Darstellung einer unbekannten jungen Frau gehört, wurde von Naumann kurz nach 1670 datiert; Naumann 1981, Bd. 2, S. 95.
7 Porträt einer Dame, Porträt eines Herrn, beide Eichenholz, 22 x 16,5 cm, Landesmuseum, Innsbruck, Inv. 629, 630.
8 Holz, 22 x 17 cm, Verst. Candamo (Charpentier),
14./15. 12. 1933, Nr. 37.

Lit.: F. W. B. von Rahmdor, Beschreibung der Gemäldegalerie des Freiherrn von Brabek in Hildesheim, Hannover 1792, Nr. 5; Kat. Slg. Hudtwalcker 1861, S. 120 f. (als Frans van Mieris d. Ä.); Gustav Parthey, Deutscher Bildersaal,
2 Bde., Berlin 1863/64, Bd. 2, S. 128, Nr. 25; Bode 1886, S. 27; Leithäuser 1889, S. 72 f.; Katalog 1918, S. 109; Katalog 1921, S. 114; Hofstede de Groot, Bd. 10, 1928, S. 72, Nr. 265; Katalog 1930, S. 107; Katalog 1956, S. 109; Katalog 1966, S. 114 (wie in allen älteren Katalogen als Frans van Mieris); Otto Naumann, Frans van Mieris (1635-1681) The Elder, 2 Bde., Doornspijk 1981, Bd. 2, S. 181, Nr. C. 175; Santina M. Levey, Lace. A History, Victoria & Albert Museum, London 1983, Abb. 190C (irrtümlich als Terborch); Onno Ydema, Carpets and their Datings in the Netherlandish Paintings 1540-1700, Zutphen 1990, S. 165, Nr. 532.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 22.3cm x 16.5cm (Bild) 39cm x 33.5cm (Rahmen) Erworben 1888 aus der Sammlung Hudtwalcker-Wesselhoeft Inv. Nr.: HK-631 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback