Gerard ter Borch
Nicolaes Pancras (1622-1678), Bürgermeister von Amsterdam, 1670
Terborch hatte mit seinen Bildnissen in kleinem Format, aber sensibler Ausführung einen besonderen Ruf erlangt. Dieser Amsterdamer Bürgermeister übt allein durch seine massige dunkle Erscheinung im Dreiviertelbildnis Autorität aus. Das von zurückhaltendem Ernst geprägte Gesicht gibt dieser Autorität zusätzliches Gewicht. Es steht an formaler Betonung zurück hinter der Helligkeit der gebauschten Hemdsärmel, welche dem Griff der Rechten um das spanische Rohr jede Schwere nimmt. Seine Haltung suggeriert Souveränität auch über das Emblem seiner Herrschaft. Dazu gehörte noch ein Portrait seiner Frau Petronella de Waert.
Gisela Hopp
Nicolaes Pancras (1622-1678), laut Inschrift 48 Jahre alt, war seit 1650 Mitglied des Stadtrates von Amsterdam, seit 1669 wiederholt Bürgermeister der Stadt, zudem Vorsteher der Vereinigten Ostindischen Compagnie.1 Er trägt einen Rock aus schwarzem Samt, die Ärmelaufschläge mit hellgrauer Seide gefüttert und von schwar-zen Spitzen umsäumt. Die hellgraue Weste ist mit schwarzen Spitzen bedeckt. In der rechten Hand hält er einen Stock mit Elfenbeinknauf und Silberspitze, auf dem Tisch mit ursprünglich grau-violetter Samtdecke liegt ein Hut. Auf dem Kopf trägt er eine schwarze Kalotte.
Eine verschollene Wiederholung befand sich wie das Bildnis seiner Ehefrau Petronella de Waert in spanischem Privatbesitz.2 Gudlaugsson schloß daraus auf die Existenz eines Gegenstückes zu Inv. 617.3 Ebenfalls 1670 malte Ter Borch die Tochter Roevers, Aletta (1649-1707), und ihren Ehemann François de Vicq (1646-1707).4 Alle Familienmitglieder sind im Dreiviertelporträt dargestellt. Das Bildnis eines zwölfjährigen Knaben wurde von Dudok van Heel als das des Sohnes Gerbrand (1658-1716) identifiziert.5 Ebenfalls große Übereinstimmungen mit Inv. 617 weist das Bildnis eines jungen Mannes in Kopenhagen auf; identisch sind der Tisch mit Hut sowie die Maße.6
Den Auftrag für die Bildnisse der Familie Pancras vermittelte vermutlich sein Schwager Syberand Schellinger. Zu diesem Zweck hielt sich Ter Borch im Herbst 1670 in Amsterdam auf. In der Folge erhielt er weitere Aufträge aus dem Kreis der reichen Amsterdamer Regenten. Das Bildnis von Cornelis de Graeff (1673), dem Sohn des Amsterdamer Bürgermeisters Andries de Graeff, folgt demselben Typus.7
Thomas Ketelsen 2001
1 J. E. Elias, De Vroedschap van Amsterdam 1578-1795,
2 Bde., 2. Aufl., Amsterdam 1963, Bd. 1, S. 467 f.
2 Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 217 f., Nr. 242 II, 243 II. Beide Gemälde befanden sich ursprünglich in der Slg. Marquis de Castro Serna, Madrid. Allein das Bildnis der Frau gelangte in die Slg. A. Diaz de Bustamente y Quijano, Madrid. Vgl. die Kopie von Gesina ter Borch; A. McNeil Kettering, Drawings from the Ter Borch Studio Estate in the Rijksmuseum, 2 Bde., Den Haag 1988, Bd. 2, S. 645, Folio 88 r, S. 723, Abb.
3 Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 218, Nr. 243 I; beide Bildnisse wurden möglicherweise auf der Verst. Bleuland (1839) gemeinsam verkauft.
4 Jeweils Lw., 38,5 x 31 cm, beide Gemälde bez. GTB 1670, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. SK-A 2417, SK-A 2418; Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 216 f., Nr. 240, 241; Katalog Amsterdam 1976, S. 130; Zwolle in de Gouden Eeuw. Cultuur en schilderkunst, hrsg. v. J. Streng, L. van Dijk, Ausst. Kat. Stedelijk Museum Zwolle 1997, S. 58 f., Nr. 7, 8. Auf dem Bildnis von De Vicq rückseitig die irrtümliche Bezeichnung Nicolaas Pancras.
5 Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 215 f., Nr. 239; Dudok van Heel 1983, S. 66-71.
6 Lw., 38,5 x 33,5 cm, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen; Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 238, Nr. 282, möglicherweise das Bildnis von Gerbrand.
7 Lw., 38,5 x 28,5 cm, Mauritshuis, Den Haag, Inv. 883. Gudlaugsson 1959/60, Bd. 2, S. 226, Nr. 262; Katalog Den Haag 1993, S. 37.
Ausst.: Gerard Ter Borch, Koninklijk Kabinet van Schilderijen, Mauritshuis, Den Haag 1974, S. 184 f., Nr. 56.
Lit.: Wilhelm Bode, La Galerie de Tableaux de M. Rodolphe Kann à Paris, Wien 1900, S. X f., Taf. 16; ders., Catalogue de la Collection Rodolphe Kann. Tableaux, 2 Bde., Paris 1907, Bd. 1, S. 88, Nr. 87, Taf. 87; Franz Hellens, Gérard Terborch, Brüssel 1911, S. 125, Abb. nach S. 108; Hofstede de Groot, Bd. 5, 1912, S. 97 f., Nr. 301; Katalog 1918, S. 166; Katalog 1921, S. 172; Gustav Pauli, Gerard Terborch, Hamburg 1923 (Kunsthalle zu Hamburg. Kleine Führer, 32), S. 6 f., Abb. S. 4; Katalog 1930, S. 162; Gustav Pauli, Die Kunsthalle zu Hamburg 1914-1924, Hamburg 1925, S. 10, 26 mit Abb.; Eduard Plietzsch, Gerard ter Borch, Wien 1944, S. 52 (unter Nr. 85); Katalog 1956, S. 153; S. J. Gudlaugsson, Gerard Ter Borch, 2 Bde., Den Haag 1959/60, Bd. 1, S. 149, S. 372, Abb. 242, Bd. 2, S. 217, Nr. 242; Katalog 1966, S. 159; Meisterwerke 1969, Abb. 103; S. A. C. Dudok van Heel, In Presentie van de Heer Gerard ter Borch, in: Essays in Northern European Art presented to Egbert Haverkamp-Begemann on his sixtieth Birthday, Doornspijk 1983, S. 66-71; Ders., Ter Borchs Portret van Gerbrand Pancras (1658-1716) of hoe ongemakkelijk was de Prins?, in: Manndblad Amsteldamum 80, 1993, S. 130; Alison McNeil Kettering, Gerard ter Borch's Portraits for the Deventer Elite, in: Simiolus 27, 1999, S. 66.