
Edouard Manet
Nana, 1877
In der Mittelachse steht, nahezu lebensgroß, die Prostituierte Nana in Unterrock und Korsett, eleganten Strümpfen und modischen Schuhen. Vor einem Spiegel ist sie damit beschäftigt, sich zu schminken, und stellt die Puderquaste und den Lippenstift mit dem abgespreizten kleinen Finger affektiert zur Schau. Hinter ihrem Rücken wartet auf dem Sofa ihr nächster Kunde in Anzug und Zylinder ausgehbereit auf sie. Seine Figur ist vom Bildrand beschnitten und er muss ihre Aufmerksamkeit teilen, denn Nana flirtet mit einem Dritten: Aus dem Bild heraus blickt sie ihre Betrachter an und bindet diese als Mitwisser in die Szene ein. Nana wurde vom offiziellen Salon abgelehnt, da die Zeit nicht reif war, die in der Gesellschaft unverhohlen florierende Prostitution in der Kunst nobilitiert zu sehen. Kaum weniger schockierend für das Publikum war Manets neue, impressionistische Malweise, die alle Tiefenillusion aufgab, die Faktur der Maloberfläche offen zur Schau stellte und so allen Regeln der akademischen Malerei zuwiderlief.
Daniel Koep