Willi Baumeister

Mauerbild mit Halbkreis (Figur und Kreissegment), 1923

Nach der Ausbildung zum Dekorationsmaler, einem einjährigen Kriegsdienst und dem Studium an der Kunstakademie Stuttgart etablierte sich Willi Baumeister 1922 als freier Künstler. An der Akademie hatte er sich mit Oskar Schlemmer befreundet, nun knüpfte er weitere Kontakte innerhalb der europäischen Kunstszene – unter anderem zu Paul Klee, László Moholy-Nagy und Wassily Kandinsky, die wie Schlemmer am Staatlichen Bauhaus in Weimar lehrten.

Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, politischer Unruhen und gesellschaftlicher Umbrüche wagten die Künste nicht nur am Bauhaus einen radikalen Neuanfang: Man wollte eine neue Welt, den »Neuen Menschen« formen. Da die moderne Wirklichkeit von Fortschritt und Technik geprägt war, sollten alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens entsprechend gestaltet sein, allen voran die Architektur als gemeinschaftlicher Raum. Überzeugt davon, dass die Gesellschaft eine sachliche, konstruktive Bildsprache brauche, reduzierte auch Baumeister seine Malerei auf geometrische Formen und eine klare Farbigkeit.

Zentrum der Kunst blieb für ihn aber der Mensch. In dessen räumlich-geometrischer Figur sah er grundlegende Gesetzmäßigkeiten am Werk, und so wurde sie für ihn zum Symbol für jede Art von Konstruktion. Vor allem mit der Serie der Mauerbilder thematisierte der Maler die Beziehungen und dynamischen Kräfte zwischen Mensch und Maschine: Das Mauerbild mit Halbkreis (Figur und Kreissegment) von 1923 besteht aus ineinandergreifenden, kontrastierenden Kreisen, Rechtecken, runden und eckigen Elementen. Als zentrale Achse gibt eine abstrahierte Körperform der rhythmisch-bewegten Komposition ihren Halt.

Die in Öl gemalten Bilder erweiterte Baumeister mittels gefärbter Karton-, Holz- oder Metallteile zu räumlichen Reliefs, wobei nicht auf Anhieb erkennbar ist, welche Partien erhaben sind und in welchen eine malerische Illusion vorliegt. Bewusst suchte Baumeister die Verbindung von der Fläche zum Raum, zur Architektur, um die Grenzen zwischen freier und angewandter Gestaltung, Kunst und Alltag zu überwinden. Von der Wirkung der in drei Fassungen ausgeführten Komposition Mauerbild mit Halbkreis war er so überzeugt, dass er sie im Folgejahr als Wandbild in einer Ausstellung variierte.1

Karin Schick

1 Vgl. Peter Beye und Felicitas Baumeister (Hrsg.), Willi Baumeister. Werkkatalog der Gemälde, 2 Bde., Ostfildern 2002, Bd. 2, S. 98.

Details zu diesem Werk

Mischtechnik und Collage auf Sperrholz 117.7cm x 69cm (Bild) 138cm x 88cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe aus Privatsammlung, Süddeutschland Inv. Nr.: HK-200504 Sammlung: Klassische Moderne © Privatsammlung in der Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn Foto: Elke Walford

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