Anita Rée
Junger Chinese, um 1913
Nachdem Anita Rée 1904 in die private Malschule Arthur Siebelists eingetreten war und dort gelernt hatte, nach impressionistischer Manier die Natur wiederzugeben, entwickelte sie ein ausgeprägtes Interesse für die neueren Entwicklungen in der Kunst, vor allem für Maler wie Paul Cézanne, Henri Matisse und Fernand Léger. Im Winter 1912/13 ging Rée für einige Wochen nach Paris, um die Avantgarde vor Ort zu studieren. Anschließend überführte sie ihre Eindrücke in ihre eigene Malerei, wofür das Gemälde Junger Chinese Zeugnis ist: Rée löst sich hier von dem Ideal des reinen Abbilds der Natur. In ihrer Malerei verfügt sie zunehmend über einen freieren Umgang mit Farbe und Pinsel; sie vereinfacht die Körperformen und modelliert sie aus farbigen Flächen heraus, die sie mit kräftigen blauen Konturen umfängt. Dank eines zarten Farbauftrags gewinnt die Malerei an Leuchtkraft und das Gemälde einen zeichnerischen Charakter. Den Chinesen, dessen Identität unbekannt ist, wählte Anita Rée gleich mehrere Male als Modell: Das Interesse an dem »Andersartigen«, dem »Fremden« in der sie umgebenden Gesellschaft begleitete sie im Bewusstsein ihrer eigenen südamerikanischen Wurzeln und fremdländischen Erscheinung ihr gesamtes Œuvre hindurch.
Sophia Colditz