Wilhelm Trübner
Der vom Kreuz genommene Christus, 1874
Um 1870 fand der junge Trübner in München Anschluss an den Kreis der Künstler um Wilhelm Leibl, die sich einer Malerei des Realismus verpflichtet sahen. Mit dem vom Kreuz genommenen Christus griff der Maler ein traditionelles Sujet auf. In stark verkürzter Perspektive stellte er den Leichnam Christi mit den tiefen Wundmalen an Händen und Füßen dar und betonte dessen Wirkung durch einen dramatischen Helldunkelkontrast. Im Schatten des Vordergrunds sind die Marterwerkzeuge der Passion zu erkennen. Erst nach und nach rückt die Malweise Trübners in den Blick, die einer ganz eigenen Systematik folgt. So sind die weißen und grauen Pinselstriche des Leichentuchs in rhythmischer Folge wie Bänder zu einem flächigen Muster zusammengefügt. In ähnlichem, pastosem Farbauftrag ist das Inkarnat des Toten wiedergegeben. Das kraftvolle Pathos des Bildmotivs und die Eigengesetzlichkeit der Malweise bilden hier verschiedene Schwerpunkte aus. Das Gemälde von 1874 zeigt anschaulich, wie die Mittel der Bildgestaltung zunehmend zum Thema der modernen Kunst werden.
Daniel Koep