Johannes Glauber
Ideale Landschaft mit einer Colonnade
Die Komposition der vorliegenden Landschaft erinnert an Glaubers sechsteilige Radierungsfolge nach Vorlagen Gaspard Dughets (B. 20–25). Auch in der Ausführung finden sich Anklänge an den letztlich von dem Italiener Crescenzio Onofri angeregten Stil (Anm.1) der graphischen Blätter. Die netzartig die Bildfläche überspannenden Federstrukturen verbinden das Blatt mit Glaubers Vorzeichnungen zu einer von Adolf van der Laan radierten Folge von 40 Landschaften,(Anm.2) doch wirkt es in der zeichnerischen Ausführung ungleich härter. Weder Strichstärke noch die Größe der Kürzel wurden wesentlich variiert, und die Vegetationsstrukturen erscheinen weniger feinmaschig. Ungewöhnlich sind zudem die im Hintergrund stellenweise fehlenden Umrisslinien.
Diese Abweichungen erklären sich vermutlich aus Funktion und Zweck der Zeichnung, die über einem Contre-epreuve in Rötel gearbeitet ist. Dies ist deutlich zu erkennen an den gegenläufigen Rötelschraffen unter den Strukturen der Federzeichnung. Aus dem Œuvre Glaubers sind weitere Beispiele für dieses Verfahren bekannt, mithilfe dessen der Künstler eigene Entwürfe duplizieren und zu eigenständigen Zeichnungen ausarbeiten konnte.(Anm.3) Die bislang unbekannte seitenverkehrte Rötelzeichnung, von der unser Abklatsch abgenommen wurde, hat man sich ähnlich dem Radierungsentwurf Inv.-Nr. 30718 vorzustellen, lediglich skizzenhafter in der Ausführung.
In der etwas simplifizierten Struktur der Federzeichnung erinnert unser Blatt darüber hinaus an eine traditionell Glauber zugeschriebene Federzeichnung in Kölner Privatbesitz, die im RKD versuchsweise dessen jüngerem Bruder Johannes Gottlieb Glauber (1656–1703) zugeordnet wird.(Anm.4)
Annemarie Stefes
1 Bisanz-Prakken, in: Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, S. 196 mit Verweis auf dessen Radierungen B. 2 und B. 6.
2 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 10216 (Feder in Braun, 257 x 344 mm), Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, Nr. 104; Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, Old Master Drawings, 8. 7. 2009, Nr. 45 (Feder in Braun, Griffelspuren, 293 x 340 mm); ehemals Hamburg, Sammlung W. Gramberg (Feder in Braun über Rötel, 241 x 340 mm), Zwollo 1973, Abb. 16; Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 22593 (Feder in Braun über Rötel, 282 x 465 mm).
3 Z. B. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1893-A-2755, vgl. An Zwollo: Hollandse en Vlaamse veduteschilders te Rome 1675-1725, Assen 1973, S. 16 und Abb. 17; Oslo, Nasjonalgalleriet, Inv.-Nr. B. 15557, Nederlandske Tegninger (ca. 1600-ca. 1700) i Nasjonalgalleriet, Ausst.-Kat. Oslo, Nasjonalgalleriet 1976, Nr. 23. Im Aukt.-Kat. Amsterdam, Bosch 1785, S. 51, Album F, Nr. 478 sind vier dieser Gegendrucke in Rötel erwähnt: „Vier Stuks overdrukken van Landschappen, in rood kryt, door J. Glauber“.
4 Photo RKD 2001 (Feder in Braun, 267 x 364 mm); zu diesem wenig erforschten Künstler vgl. Schavemaker 2007, S. 69. Ein diesem durch alte Beischrift traditionell zugewiesenes Aquarell, 1992 in der Galerie Joseph Fach, Frankfurt am Main, weist keine stilistischen Berührungspunkte auf zu dem vorliegenden Blatt. Für diesen Hinweis danke ich Robert-Jan te Rijdt.