Abraham van Strij (I)
Arent de Gelder, ehemals zugeschrieben

Einem orientalischen Fürst wird von einem Diener ein Säbel übergeben (nach Aert de Gelder)

Während Lilienfeldt unser Blatt noch als einzige „absolut sichere Zeichnung De Gelders“ ansah, wurde dessen Autorschaft erstmals von Sumowski (Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 5, Gelder - Horst, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1981) bezweifelt. In der Literatur zu diesem Blatt wurde aber wiederholt auf die Möglichkeit einer Spätdatierung verwiesen. Aert de Gelder starb 1727, und der unruhig-flirrende Duktus ließe sich durchaus im frühen 18. Jahrhundert verorten.(Anm.1 )Eine im Stil verwandte Zeichnung befindet sich in Rotterdam; eine unserem Blatt noch näher stehende, in gleicher Weise signierte Darstellung ähnlich narrativen Charakters wird in Brüssel verwahrt.(Anm.2) Während Giltay diese Zeichnungen für spätere Imitationen hielt, wurden sie bei Hautekeete als mutmaßliche eigenhändige Nachahmungen des späten Aert de Gelder eingestuft.
Eine Auflösung dieser Problematik wurde unlängst von Robert-Jan te Rijdt vorgeschlagen, der das Blatt Abraham van Strij zuwies, ganz im Sinne einer alten, später durchgestrichenen Karteinotiz („Kopie des 18. Jahrhunderts?“). Grundsätzlich wird dies durch das „moderne“ Papier bestätigt, dessen fehlende Siebstrukturen auf eine Entstehung nach 1780 deuten. Konkret erinnert der Namenszug in der Schreibweise stark an die Signatur des Abraham van Strij, der sich hier offensichtlich an originalen Gemäldesignaturen De Gelders orientierte.(Anm.3) Auch für den unruhigen Strich und die mehrfarbige Lavierung finden sich Parallelen zu sicheren Werken dieses Künstlers, der wie De Gelder in Dordrecht lebte und sich auch in anderen Werken auf seinen berühmten Vorläufer bezog – eine im 18. Jahrhundert durchaus verbreitete Ausdrucksform des städtischen Patriotismus.(Anm.4)
Offen bleibt die Frage, ob Van Strij mit dieser Imitation lediglich seinen Respekt gegenüber dem Vorläufer bezeugen wollte, oder ob es sich um eine in täuschender Absicht gefertigte Fälschung handelt.
Bislang unbestimmt bleibt auch das Thema der Darstellung. Nur bedingt hilfreich war Lilienfeldts Hinweis auf ein Gemälde De Gelders, dessen Deutung als „Ahimelech, David das Schwert Goliaths überreichend“ (1. Samuel 21) inzwischen weithin akzeptiert wird.(Anm.5) Zu dieser Szene aus dem alten Testament fehlt hier indes der direkte Bezug: Der alte Mann ist eindeutig als Herrscher, nicht als Priester ausgewiesen; sein Gegenüber, in Kleidung und Habitus als Diener gekennzeichnet, erscheint unvereinbar mit dem jugendlichen Helden David. Im Bremer Ausstellungskatalog von 2000 zog Röver-Kann einen assoziativen Umgang mit biblischen Ereignissen wie der Begegnung von Haman und Ahasver in Betracht.(Anm.6) Der Herrschertypus ähnelt einer Darstellung des alten König David auf einem Gemälde De Gelders in Amsterdam.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Zumindest in Betracht gezogen von Peter Schatborn: Die Zeichnungen von Arent de Gelder, in: Arent de Gelder [1645-1727], Ausst.-Kat. Dordrecht/Köln 1998/99, S. 111-121, S. 112 und von Bevers auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
2 „Drei Männer im Gespräch“, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. FG 138, Jeroen Giltay: The Drawings by Rembrandt and his School in the Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam 1988, Nr. 84; „Drei orientalisch gekleidete Männer bei einem Tisch mit Buch“, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 4060/1330, Stefaan Hautekeete: Tekeningen van Rembrandt en zijn leerlingen in de Verzameling van Jean de Grez, Ausst.-Kat. Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Gent 2005, Nr. 24.
3 Robert-Jan te Rijdt auf dem Hamburger Symposium, siehe Anm. 1; vgl. Floor de Graaf, Charles Dumas: In helder licht. Abraham en Jacob van Strij. Hollandse meesters van landschap en interieur omstreeks 1800, Ausst.-Kat. Dordrecht, Dordrechts Museum, Enschede, Rijksmuseum Twenthe, Zwolle 2000, Abb. 198, 278, 199, 234, 225. In den Akten der Dordrechter Lukasgilde können dem Nachahmer zahlreiche Schriftproben De Gelders zur Verfügung gestanden haben, wie z. B. Lilienfeldt 1914, Dok. 49 und Dok. 59.
4 Siehe Anm. 3. Z. B. variiert eine Zeichnung Van Strijs in Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. PK-P-AW 1763 ein Gemälde De Gelders aus Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv.-Nr. 79.P.A.71, J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994, Nr. 42, und ein Aquarell in Amsterdam, Rijksprentenkabinet. Inv.-Nr. RP-T-1921-43, Peter Schatborn, Astrid Tümpel, Christian Tümpel: Pieter Lastman – Leermeester van Rembrandt, Ausst.-Kat. Amsterdam, Museum het Rembrandthuis, Zwolle 1991, Nr. 62, geht zurück auf die ehemals De Gelder zugeschriebene „Heilige Familie“ an unbekanntem Standort, J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994, Nr. L. 53. – In der stilistischen Ausführung vergleichbare Zeichnungen Abraham van Strijs befinden sich in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1892-A-2691, oder Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/3512.
5 Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv.-Nr. 78.PA.219, J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994, Nr. 20, vgl. Röver-Kann, in: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000. Dieses Bild wurde kopiert von Jacob van Strij, Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 11007, J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994 Abb. 20 I.
6 Vgl. J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994, Nr. 26.
7 Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-2695, von Moltke 1994, Nr. 21; denkbar wäre auch ein Zu-sammenhang mit dem heute verlorenen Gemälde „David und Uria“ (2. Samuel 11, 2–14), J.W. von Moltke: Arent de Gelder. Dordrecht 1645-1727, hrsg. von Kristin L. Belkin, Doornspijk 1994, Nr. L. 17.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Pinsel in Grau und Braun; Einfassungslinien (Feder in Schwarz) 185mm x 215mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21963 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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