Walter Gramatté
Vase mit Anemonen im Berliner Atelier, 1923
Walter Gramatté war in seiner Heimatstadt Berlin nie wirklich glücklich. Er hielt sich oft in Hamburg auf, wo ihn enge freundschaftliche Kontakte mit verschiedenen Hamburger Familien wie dem Sammlerehepaar Paul und Martha Rauert oder der Familie des ihn später behandelnden Arztes Paul Sudeck verbanden. Es waren hier besonders dessen Kinder Elisabeth und Halvor, mit denen der Künstler und seine Frau, die Komponistin Sonia Fridman-Gramatté, eine intensive Freundschaft pflegten. Die studierte Kunsthistorikerin Elisabeth Sudeck war 1933 auch die Kuratorin der ersten Museumsausstellung mit Werken Gramattés in der Hamburger Kunsthalle. Enge Kontakte zur Kunstkritikerin Rosa Schapire und dem Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer und Ausstellungen in Hamburger Galerien wie dem Kunstsalon Maria Kunde, der Commeter'schen Kunsthandlung oder Der Rote Baum und den Hansa-Werkstätten sowie im Kunstverein taten das ihre für die enge Bindung an die Stadt.1
Gramatté muss Paul Sudeck und seine aus Hamburg-Othmarschen stammende Frau Agnes Sudeck, geborene Vogler, bereits um 1918 kennengelernt haben. Ob die erste Begegnung in Hamburg oder in Berlin, wohin Paul Sudeck hin und wieder aus beruflichen Gründen reiste, stattfand, lässt sich trotz Recherchen bei den Nachfahren bislang nicht nachvollziehen. Bei einem seiner Besuche in dem gastfreundlichen hanseatischen Haus der Sudecks, wo Gramatté in Hamburg meist wohnen durfte, widmete er am 15. Juni 1923 dem Ehepaar das vorliegende Blumenaquarell mit Anemonen als Geschenk, das sich motivisch sehr schön mit einem aquarellierten Selbstbildnis des Künstlers in seinem Berliner Atelier verbindet.2 Auf einem Tisch mit hellblauer Decke steht zentral eine dunkelblaue kleine Vase, in der drei weiße Anemonenblüten stecken. Im Hintergrund hängt vor der ebenfalls hellblauen Wand ein in Braun, Gelb und Blau geometrisch gemusterter Wandteppich. Man erkennt hier dieselben Blumen und auch denselben Batik-Wandbehang, den Gramatté in Berlin von Siddi Heckel, der Frau des befreundeten Erich Heckel, geschenkt bekommen hatte.
Andreas Stolzenburg
1 Vgl. dazu Andreas Stolzenburg, Walter Gramatté und Hamburg, mit einem Beitrag von Karin Schick, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 2020.
2 Vgl. ebd. S. 20, Abb. 8.