Carl Barth, Stecher
Gottfried Rist, Stecher
Friedrich Schultze, Stecher
nach Franz Riepenhausen, Zeichner, Erfinder
nach Johannes Riepenhausen, Zeichner, Erfinder
Johannes Scheible, Verleger

"Raphaels Ausflug, in Gesellschaft einiger Freunde", 1838

In: "Leben Raphael Sanzio’s von Urbino in zwölf Bildern dargestellt [...]", Stuttgart 1838, Tafel 7

Unter den vielfältigen Hommagen an den Genius Raffael nimmt der 1816 veröffentlichte Zyklus zur Vita von den Gebrüdern Riepenhausen eine besondere Stellung ein. Nie zuvor hatte sich jemand den einzelnen Lebensstationen des Künstlers so intensiv gewidmet. Darüber hinaus stellt die Folge für die biographische Erzählung, zumal durch ausführliche Bildbeschreibungen begleitet, von Künstlerviten allgemein ein Schlüsselwerk dar. Das Leben Raphael’s fand große Aufmerksamkeit, was beispielsweise durch die hier vorliegende, von dem Stuttgarter Verleger Johann Scheible herausgegebene zweite Auflage deutlich wird.
Die zwölf Zeichnungen zu den Stichen waren bereits 1807 fertig. (Anm. 2) Die Brüder wollten diese, angeregt wohl durch Johann Christian Reinhart, bei dem Nürnberger Kunstsammler und Verleger Johann Friedrich Frauenholz veröffentlichen, der 1792–1798 Reinharts Mahlerisch radirte Prospecte von Italien herausgebracht hatte. Dieser zeigte daran jedoch ebenso wenig Interesse, wie an der gleichfalls angebotenen illustrierten Geschichte der Kunst in Italien von Cimabue an bis auf Raffael, die bis 1810 dann in zwei Heften bei Johann Friedrich Cotta in Tübingen sichtbar ist. (Anm. 3) Bei Johann Friedrich Wenner in Frankfurt waren die Brüder erfolgreicher. Er hatte schon 1806 deren Leben und Tod der heiligen Genovefa in vierzehn Platten herausgebracht. (Anm. 4) Es dauerte jedoch bis 1816, als die Vita Raffaels endlich erschien. Wieviel mehr Aufmerksamkeit hätten diese zwölf, sich an der Vita Giorgio Vasaris orientierenden Darstellungen doch gehabt, wenn sie schon kurz nach 1807 der Öffentlichkeit bekannt geworden wären!
Bemerkenswert ist neben dem allegorischen Titelblatt, auf dem die Poesie den kleinen Raffael bereits auf himmlische Sphären hinweist (Inv-Nr. kb-18639-85-304-1) und dem auf dem Selbstporträt Raffaels in den Florentiner Uffizien gründenden Bildnis des Künstlers (Inv-Nr. kb-18639-85-304-2) besonders die Darstellung von dessen Geburt (Inv-Nr. kb-18639-85-304-3). Diese tritt zwar in klassizistischen Formen auf, steckt aber noch vollbarocker Wucht und allegorischer Symbolik. Sie zeigt den Säugling Raffael – seine Mutter liegt mariengleich am linken Bildrand im Bett – , der von einem das Bild dominierenden Engel gehalten und den rechts stehenden allegorischen Figuren der Poesie, der Musik und der Malerei vorgestellt wird. Oberhalb schweben weitere, Blüten streuende Engel. Hier wird, der Marienikonographie entlehnt, der am Karfreitag geborene und gestorbene Künstler mit dem Jesuskind mehr oder weniger gleich gesetzt. Schon im Säuglingsalter war ihm, einer Herrscherapotheose gleich, sein göttlich gewollter, genialischer künstlerischer Ruhm sprichwörtlich in die Wiege gelegt. Die Brüder Riepenhausen bedienten sich verschiedenster Vorbilder, beispielsweise ist die Poesie der Figur entlehnt, die Raffael an der Decke der Stanza della Segnatura freskiert hat (vgl. Inv-Nr. 313) und der das Kind haltende Engel erinnert sehr an Gemälde Sandro Botticellis.
Es folgt eine Reihe von Begebenheiten aus dem Leben Raffaels, wobei der Schwerpunkt der ausgewählten Stationen auf den Jugendjahren liegt. Auf den kleinen Raffael, der auf dem Schoß des Vaters sitzend seine ersten Pinselstriche auf der Leinwand des Vaters platziert (Inv-Nr. kb-18639-85-304-4), folgt der Abschied des Jungen von seiner Mutter (Inv-Nr. kb-18639-85-304-5; vgl. Inv-Nr. 1949-173) (Anm. 5) und dessen Ankunft in Perugia in der Werkstatt Peruginos (Inv-Nr. kb-18639-85-304-6). Es folgt ein Ausflug Raffaels mit dreibefreundeten Malerkollegen in die Natur (Inv-Nr. kb-18639-85-304-7), der zweifellos mehr das Ideal der deutschen Künstlerfreundschaft der Romantik um 1800 illustriert, wie Ludwig Tieck es in Franz Sternbalds Wanderungen beschreibt, als dass es mit dem realen Leben Raffaels zutun hätte. Schließlich betritt Raffael die Bühne von Florenz, der Stadt der Künste (Inv-Nr. kb-18639-85-304-8). Fra Bartolomeo zeigt ihm die Kartons der Schlacht von Cascina von Michelangelo und der Schlacht von Anghiari von Leonardo da Vinci. Fra Bartolommeo ist es auch, der Raffael beim Abschied von Florenz 1508 den Weg nach Rom weist (Inv-Nr. kb-18639-85-304-9), wo dieser von Papst Julius II. empfangen wird (Inv-Nr. kb-18639-85-304-10). Auf dem Höhepunkt seiner Künstlerkarriere folgt lediglich die, ebenfalls besonders durch die romantische Literatur hervorgehobene, legendäre Szene mit der Marienerscheinung – das einzige Hochformat der Folge –, die dem Künstler durch göttliche Inspiration seinen Weg zur Vollendung des Bildes der Sixtinischen Madonna weist (Inv-Nr. kb-18639-85-304-11; vgl. Inv-Nr. 15106 und 45237). Beschlossen wird der Zyklus, ohne Erwähnung der Fresken in den Stanzen, der Farnesina oder anderen Meisterwerke und offiziellen Aufgaben (Aufsicht über die Altertümer und Bau von St. Peter) des Göttlichen, mit dem Blatt „Raphael auf dem Sterbebette“ (Inv-Nr. kb-18639-85-304-12). Hier sieht man Raffael gleich einem Herrscher liegend im Paradebett mit Baldachin, umgeben allerdings nur von seinen treuesten Schülern und nicht von weltlichen oder kirchlichen Würdenträgern. (Anm. 6)
Der Stil der Kupferstiche, die in Mischtechnik immer auch Anteile an radierten Linien aufweisen, wird von Stephan Seeliger und Norbert Suhr treffend beschrieben: „,Frühnazarenisch‘ ist auch die Reproduktion, klare, aber nicht einseitig betonte Umrisse, Kreuzschraffuren in den Schatten, variierende Parallelen auf den großen Flächen, immer spricht das Weiß des Papiers mit.“ (Anm. 7) In der ersten Ausgabe von 1816 wurden die Namen der drei Kupferstecher verschwiegen. Erst in der nach Wenners Tod in Stuttgart bei Scheible 1838 erschienen zweiten Ausgabe finden sich die Namen derselben, deren künstlerische Leistung nicht unterschätzt werden darf, auf dem Titelblatt. Die einzelnen Anteile der Stecher Barth, Rist und Schultze an der Umsetzung der Zeichnungen der Brüder Riepenhausen sind bis heute ungeklärt. Ein Grund für die zweite Auflage, die eine vorhandene Nachfrage bei Sammlern voraussetzen dürfte, war sicher die Popularität der nach dem Tod des Bruders Franz 1831 von Johannes Riepenhausen 1833 allein gezeichneten und selbst radierten zweiten Folge zur Vita Raffaels, in der die Auswahl der Darstellungen eine ganz andere, mit einem auf die römischen Jahre gerichteten Schwerpunkt, werden sollte (Inv-Nr. 2019-652-2 bis 13)
Andreas Stolzenburg

LIT: Ausst.-Kat. Mainz/Nürnberg 1993, S. 128–131 (Auflage 1816; Exemplar:
Landesmuseum Mainz); Ausst.-Kat. Stendal 2001, S. 165–166, Nr. V.1 (Ausgabe
1838; Exemplar: Städtisches Museum Göttingen); Ausst.-Kat. Göttingen/Rom
2015, S. 124–137, Nr. 8 (Auflage 1838; Exemplar: Städtisches Museum Göttingen; Beitrag Steven Reiss)

1 In der Ausstellung wird ein Exemplar der Folge in Einzelblättern aus Hamburger Privatbesitz gezeigt.
2 Vgl. S. 53, Anm. 64 auf S. 89.
3 Luther 1988, S. 192.
4 Ausst.-Kat. Mainz/Nürnberg 1993, S. 124–125, Nr. 40.
5 In Wirklichkeit starb Raffaels Mutter schon 1491, also als dieser erst acht Jahre alt war. Zu Perugino kam er erst gegen 1502, also erst, als auch der Vater 1494 längst gestorben war.
6 Zu einer etwas ausführlicheren Beschreibung der zwölf Blätter siehe Ausst.- Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 124–126 (Beitrag Steven Reiss).
7 Ausst.-Kat. Mainz/Nürnberg 1993, S. 129, Nr. 51.

Details about this work

Radierung und Kupferstich 343mm x 349mm (Bild) 400mm x 396mm (Platte) 436mm x 580mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Bibliothek Inv. Nr.: kb-1863-85-304-7 Collection: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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