Jan Stephan von Calcar (auch: Kalkar), zugeschrieben, Holzschneider
Tizian (Werkstatt), (?), Holzschneider
Tizian, (?), Zeichner
Andreas Vesalius (eigentlich Andreas Witinck), Instrukteur
Johannes Oporinus, Drucker
Weiblicher Torso mit Blick in die Bauchhöhle, 1543
In: Vesalius, Andreas: "De Humani Corporis Fabrica Libri Septem", Basel 1543, Buch V, Seite 477, Tafel 170 (Kapitel 1, Abb. 24)
1543 erschien in Basel bei Johann Oporinus das Werk De humani corporis fabrica libri septem (Sieben Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers). Autor war der erst 29-jährige Andrea Vesalius (1514-1564), der hier eine umfassende anatomische und physiologische Studie sämtlicher Teile des menschlichen Körpers vorlegte. Vesalius hatte sein Wissen in fünfjähriger Arbeit als Professor für Chirurgie und Anatomie in Padua erworben. Das Buch ist eine der wichtigsten Veröffentlichungen der Medizingeschichte und hat die Kenntnis über die Anatomie des Menschen mit einem Schlag nachhaltig revolutioniert.
De humani corporis fabrica libri septem ist auch ein Meisterwerk der Buchkunst. Dies liegt an seiner opulenten Ausstattung mit Hunderten von gleichermaßen didaktisch anschaulichen wie künstlerisch qualitätvollen Holzschnitten. Das Spektrum reicht von kleinformatigen Darstellungen einzelner Knochen über ganzseitige Abbildungen von Skeletten bis hin zu Klapptafeln, auf denen das Nervensystem in allen Verästelungen erkennbar ist.
Über die künstlerische Autorschaft wurde und wird in der Forschung viel diskutiert. Sicher scheint inzwischen, dass ein Großteil der Holzschnitte von dem Niederländer Jan Stephan van Kalkar und dessen Werkstatt stammt. Einige Blätter, etwa das Frontispiz, könnten auch von Domenico Campagnola entworfen worden sein. Tizians Anteil ist schwer zu bestimmen, eine eindeutige schriftliche Quelle aus der Entstehungszeit ist nicht bekannt. Sein Name wird erst lange Zeit nach der Publikation konkret mit dem Werk in Verbindung gebracht. Schwer vorstellbar ist, dass sich der gefragte Künstler monatelang mit anatomischen Detailstudien befasst haben soll. Keine einzige diesbezügliche Zeichnung seiner Hand ist bekannt. Zu diskutieren ist daher allenfalls, ob Tizian, der zeitweilig in Padua tätig war, bei der Konzeption des Gesamtwerks und bei der Organisation von dessen künstlerischer Umsetzung beteiligt gewesen ist. Am ehesten mit Tizian zu verbinden sind die ob ihrer Originalität und gestalterischen Klasse herausragenden Ganzkörperdarstellungen von Muskelmenschen. Definitiv zu beweisen ist dies indessen nicht. Und von Kalkars große Qualität als Entwerfer der übrigen Darstellungen lassen seine Autorschaft an den Holzschnitten der Muskelmenschen zumindest ebenfalls denkbar erscheinen.
David Klemm
Literatur:
Monique Kornell: Jan Steven van Calcar, c. 1515-c.1546, Vesalius’s Illustrator. In: Andreas Vesalius and the Fabrica in the Age of Printing. Art, Anatomy, and Printing in the Italian Renaissance. Hrsg. von Rinaldo Fernando Canalis und Massimo Ciavolella, Tornhout 2018, S. 99-130
Peter Lüdemann: Tiziano. Le botteghe e la grafica. Florenz 2016, vor allem S. 135-155