Nicolaes Maes
Bildnis einer Dame, 1669
Die an eine Brüstung gelehnte junge Frau hält in den Händen einen dünnen schwarzen Schal. Sie trägt ein vornehmes, schlicht geschnittenes Atlaskleid mit gerafften Ärmeln und einem weißen Klappkragen, der über die Schultern fällt und mit zwei Schleifen zusammengehalten wird; die eng anliegende schwarze Spitzenhaube läßt das streng nach hinten gekämmte Haar nur im Ansatz erkennen. Perlenohrringe sind der einzige Schmuck. Hinter ihr ein geraffter grüner Vorhang, links geht der Blick über eine Balustrade auf eine Waldlandschaft. Die Identität der jungen Frau ist ungeklärt.2
Dieselbe Armhaltung findet sich auf einem Bildnis in der Slg. Thyssen-Bornemisza von 1667.3 Halten dort Daumen und Zeigefinger der rechten Hand eine Uhr, so ist hier das schwarze Tuch den Fingern nur unterlegt. Krempel spricht von einer »Tendenz zur Standardisierung« bei Maes seit Mitte der sechziger Jahre, als die Zahl der Bildnisaufträge, nicht nur aus Dordrecht, sondern aus allen Provinzen der Niederlande, sprunghaft anstieg.4 Ein Pendant wie für das Bild in Madrid ist vorstellbar, konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden.5
Thomas Ketelsen 2001
1 Bei Leithäuser 1889, S. 69, der Hinweis, die beiden letzten Ziffern der Jahreszahl seien »nicht mehr festzustellen«.
2 Hofstede de Groot identifizierte Inv. 634 irrtümlich mit einem Kniebild einer Dame, das sich früher in der Slg. van Cleef in Utrecht befunden hat; Lw., 110 x 90 cm, bez. N.MAES f. 16[..], Verst. Slg. van Cleef, Paris, 4 f. 4 .1864, Nr. 54; Krempel 2000, S. 333 f., Nr. B 5.
3 Lw., 91,7 x 72,4 cm, bez. N.MAES 1667, Thyssen-Bornemisza Collection, Madrid; Seventeenth-Century Dutch and Flemish Painting, bearb. v. I. Gaskell, London 1989, S. 172-175, Nr. 34; Krempel 2000, S. 299, Nr. A 88, Abb. 136.
4 Zu den Bildnissen von 1663 bis 1669 s. Krempel 2000, S. 73-85.
5 Krempel verweist auf das Bildnis eines Mannes mit Büchern,
Lw., 90 x 70 cm, bez. N. MAES 1668, als mögliches Pendant; Krempel 2000, S. 300, Nr. A 92, Abb. 142. Die Kleidung des Mannes und die unterschiedliche Gestaltung des Hintergrundes sprechen gegen diese Vermutung.
Lit.: Leithäuser 1889, S. 68 f.; Katalog 1907, S. 25, Nr. 72; Hofstede de Groot, Bd. 6, 1915, S. 582, Nr. 452; Katalog 1918, S. 91; Katalog 1921, S. 94; Katalog 1930, S. 89; Katalog 1956, S. 92; Katalog 1966, S. 96; Sumowski, Bd. 3, 1986, S. 2030, Nr. 1407, Abb. S. 2133; León Krempel, Studien zu den datierten Gemälden des Nicolaes Maes (Phil. Diss. Bonn 1998), Petersberg 2000, S. 301, Nr. A 97, Abb. 138.