Félix Vallotton

Aïcha, 1922

Der Maler Félix Vallotton war Mitglied der Pariser Künstlergruppe Nabis und wurde auch als Graphiker geschätzt. Das Gemälde zeigt Madeleine Goblet, genannt Aïcha, in seinem Atelier. Das Modell, das auch am Theater arbeitete, wurde von Vallotton mit abgewandtem Gesicht in einem schimmernden grünen Gewand inszeniert, das ihr von den Schultern gleitet und das Dekolleté freilegt. Um den Hals ist eine zweireihige Kette aus roten Perlen drapiert.

Goblet, 1894 in Nordfrankreich als Tochter einer Flamin und eines Martinikaners geboren, fiel um 1914 in einem Zirkus dem Künstler Jules Pascin auf, dem sie mehrfach für Akte Modell stand. In der Folge avancierte sie zu einem der beliebtesten Modelle der École de Paris. Im Hintergrund ist hier ein Porträt von Vallottons Mutter1 mit vom Alter gezeichneten Händen zu erkennen, das auf die Vergänglichkeit von Goblets Jugend verweist – sie wurde als Schauspielerin häufig in Nacktszenen eingesetzt, mit zunehmendem Alter jedoch immer seltener engagiert, bis sie sich schließlich aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Mit der detaillierten Darstellung unterschiedlicher Stofflichkeiten, nicht zuletzt der dunklen Haut, steht Vallotton in der Tradition der französischen Salonmalerei. Schwarze Modelle waren dort seit dem 19. Jahrhundert und der kolonialen Expansion Frankreichs besonders gefragt, vor allem für orientalisierende Motive. Diese spiegeln häufig das stereotype Bild außereuropäischer Menschen als andersartige, triebhafte und sexuell verfügbare Wesen. Auch Vallotton lenkt besondere Aufmerksamkeit auf Goblets Körper. Der Titel des Werkes und der Turban verweisen zudem auf das Pseudonym Aïcha, das ihr, anfangs noch gegen ihren Willen, verliehen wurde, da ihr eigener Name vermeintlich zu französisch klang. Später nutzte sie den Namen aufgrund seines Erfolges auch selbst. Dieses Porträt verdeutlicht somit unter anderem die Machtstrukturen, in denen Schwarze Modelle wie Madeleine Goblet agieren mussten.2

Juliane Au

1Vgl. Marina Ducrey, 'Félix Vallotton. 1865-1925. L’œuvre peint. Catalogue raisonné', Lausanne, Mailand 2005, S. 357, Nr. 586.
2 Vgl. Estelle Bégué und Isolde Pludermacher, »Les modèles noirs dans le Paris du XIXe siècle et du début du XXe siècle«, in: Le Modèle noir. De Géricault à Matisse, Ausst.-Kat. Musée d’Orsay, Paris 2019, S. 194–209, sowie ebd. S. 255 u. S. 292.

Details about this work

Öl auf Leinwand 100cm x 81.5cm (Bild) 118cm x 99.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, erworben 2015 Inv. Nr.: HK-5739 Collection: Klassische Moderne © SHK/Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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