Paris Bordone

Junge Dame mit Spiegel und Magd, um 1535-1540

Eine junge, schöne Frau blickt in einen Spiegel, den ihr die Ältere, wohl eine Magd, mit ernstem Blick vorhält. Ihr langes blondes Haar ist sorgsam frisiert, den Kamm hält sie in der linken Hand. Beide Frauen sind als Dreiviertelporträts in einem Interieur vor einem grünen Vorhang widergegeben. Die Jüngere trägt ein dekolletiertes rotes Kleid und darunter ein weißes, kurzärmeliges Hemd, die Magd ein hochgeschlossenes blaues Gewand mit orangefarbenem Tuch um den Kopf. Allein die entblößte rechte Brust der jungen Frau wirkt irritierend, stellt sie doch ihre sonst so tugendhafte Erscheinung, die durch ihr sehr helles Inkarnat noch verstärkt wird, in Frage.
Das Gemälde gehört zu einer Reihe von idealschönen, erotisierenden Frauenporträts, die Bordone zahlreich und in variierenden Formen ausführte, deren Identität jedoch rätselhaft bleibt. Wie auch die Deutung dieses Bildtypus nicht endgültig geklärt werden kann, so dass die sinnlichen Frauenbilder unter der Bezeichnung belle donne (schöne Frauen) zusammengefasst werden. Es ist ikonografisch umstritten, ob es sich bei der jungen Frau um die allegorische Darstellung der Tugend oder des Lasters handelt. Der Blick in den Spiegel, die Reflexion der eigenen Schönheit, aber auch das melancholische Erkennen der Endlichkeit und Vergänglichkeit der Jugend legen die Assoziation mit dem Motiv der Vanitas nahe. Die Ältere mit ihrem dunkleren Inkarnat und dem faltigen Gesicht, die der Jüngeren so eindringlich den Spiegel vorhält, symbolisiert gleichsam die Vergänglichkeit qua persona. Die fein schimmernde Perlenkette um den Hals der jungen Frau erinnert an die Göttin Venus und verweist auf die Liebe als weiteres übergeordnetes Bildthema. Aber auch diese Deutung ist nicht endgültig geklärt, könnte doch die entblößte Brust als Sinnbild der käuflichen Liebe die junge Frau einerseits als Kurtisane und die Magd als ihre Kupplerin erscheinen lassen. Andererseits könnte die bedeckte Brust für die keusche Liebe, die nackte Brust hingegen für die sinnliche Liebe stehen und auf ein Brautthema hinweisen. Letztendlich ist es die erotische Ausstrahlungskraft, die die Idealbildnisse der Frauenschönheiten im 16. Jahrhundert in Venedig zu begehrten Sammlerobjekten werden ließ. Auch wenn sich die traditionellen Deutungsebenen nicht eindeutig zuordnen lassen, ist es doch gerade die Ambivalenz des Bildmotivs, die Bordones Werk Spannung verleiht.

Sandra Pisot

Details about this work

Öl auf Leinwand 87cm x 72cm (Bild) 105cm x 90cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben mit Mitteln der Campe’schen Historischen Kunststiftung, 2015 Inv. Nr.: HK-5736 Collection: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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