Wassily Kandinsky

Weißer Punkt (Komposition 248), 1923

Nach einer juristischen Ausbildung in Moskau studierte Wassily Kandinsky Malerei in München, wurde Mitglied der expressionistischen Neuen Künstlervereinigung München und 1911 als Mitbegründer der Künstlergruppe Der Blaue Reiter bekannt. Als Deutschland drei Jahre später Russland den Krieg erklärte, zog sich Kandinsky zunächst nach Moskau zurück. Dort war er als Professor tätig und hatte auch nach der Oktoberrevolution 1917 verschiedene Funktionen im Kunstbereich inne. Begegnungen mit der revolutionär gesinnten Avantgarde, zu der auch Kasimir Malewitsch und Wladimir Tatlin gehörten, inspirierten ihn zwar, doch wurden ihm die Einschränkungen der Kunstfreiheit in der Russischen Sowjetrepublik zunehmend zur Belastung.

Mit Freude folgte Kandinsky also im Juni 1922 einem Ruf an das Staatliche Bauhaus in Weimar. An dieser fortschrittlichen Schule, die Architektur, Kunst und Handwerk zusammenführen wollte, leitete er die Werkstatt für Wandmalerei, unterrichtete die Kurse »Abstrakte Formelemente« sowie »Analytisches Zeichnen« und übernahm später außerdem den Bereich »Freie Malerei«. Neben seinem Kollegen und Freund Paul Klee wurde er zu einem der prägenden Künstler und Pädagogen des Bauhauses, nicht zuletzt wegen seiner 1926 veröffentlichten und umfangreich rezipierten Schrift 'Punkt und Linie zur Fläche'.

Sie war das Ergebnis seiner in Weimar entwickelten Farb- und Formenlehre: Jeder Grundform wies der Synästhetiker Kandinsky eine Grundfarbe zu und jeder Farbe einen Klang – so entsprach etwa der Kreis einem Blau und das Gelb einem hohen Ton. Die konsequente Konzentration auf Primärfarben und die Geometrie sowie ein enger Bezug zur Musik zeigte sich im Jahr 1923 an einer umfangreichen Werkgruppe, zu der allein 19 Gemälde gehören.1 In dem frühen, bereits im Januar entstandenen Bild "Weißer Punkt" vereint sich eine Vielzahl unterschiedlichster Formelemente und Farbklänge zu einer vielschichtigen, rhythmisch-abstrakten »Komposition«: Über dem sensibel ausbalancierten Chaos schwebt ein schwarz umwölktes Kreisgestirn und scheint eine futuristische, sphärische Landschaft zu beleuchten.

Karin Schick

1 Vgl. Hans K. Roethel und Jean K. Benjamin, Kandinsky. Werkverzeichnis der Ölgemälde, 2 Bde., München 1982/1984; Bd. 2: 1916–1944, Nrn. 688–706, Weißer Punkt als Nr. 689.

Details about this work

Öl auf Leinwand 91.5cm x 73.3cm (Bild) 105.5cm x 86.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, erworben 1964. Restauriert im Rahmen der Initiative »Kunst auf Lager« mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder, 2015 Inv. Nr.: HK-5094 Collection: Klassische Moderne © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk Photo: Christoph Irrgang

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