Johann Georg Hinz
Stillleben mit Glaspokal und goldener Henkelschale
Auf einer Tischkante, deren Ecke von der Rahmenkante überschnitten wird, sind mehrere Gefäße im Sinne eines Tischstilllebens aufgebaut. Die marmorierte Kante ist mit einem leuchtend roten Samttuch bedeckt. Darauf steht im Bildvordergrund mittig eine Silberplatte, auf der sich eine geschälte und in Scheiben geschnittene Zitrone befindet sowie einige Kerne, die aus einem kleinen länglichen Gefäß linker Hand herausgefallen sind. Aus dieser Schale ragt ein Messinglöffel mit einem Pinienzapfen, der, aus der Renaissance stammend, im Norden eher eine Seltenheit darstellt.1 Links befindet sich eine Schale aus Porzellan mit blauen Verzierungen, die mit Zuckerstücken gefüllt ist, auf denen sich zahlreiche Fliegen tummeln. Davor leuchtet schwach eine aufgebrochene Pomeranze. Dahinter ein halb gefülltes Bierglas, in dem der Schaum steht und ebenfalls eine Fliege gut zu erkennen ist. In der Tischmitte erhebt sich ein großer Glaspokal, der im unteren Bereich mit mehreren Figuren verziert ist, die von Efeu umrankt sind. Oben, mit einem kostbaren Deckel versehen, befindet sich darin leuchtender Wein. Rechts davon steht eine marmorierte Kanne, in der sich ebenso wie im Glas des Biergefäßes ein Fensterkreuz spiegelt. Die marmorierte Vase wird von einem Henkel mit abblätterndem Goldversatz gekrönt. Bastian versucht Vorbilder für diese Objekte zu finden, was ihr mit einem zu Hinz mehrfach bemühten Verweis auf Prunkvasen von Jean Le Pautre jedoch nur ungenau gelingt.2
Rechts am Bildrand erblickt man eine vergoldete Schale mit Einsätzen, in denen aufgeschnittene Rundstücke ebenfalls von Fliegen besetzt sind. Der Tisch scheint übervoll und in der Raumtiefe nicht erfahrbar. Inv. 436 nähert sich am weitesten der holländischen Stilllebenmalerei an; auch die schief angeordnete Schale sowie die Art, den Teppich zu staffeln und in dichte raumschaffende Falten zu legen, kann Hinz nur dort entnommen haben. Das Gelb der Zitrone ist in ein schmutziges Braun umgeschlagen. Trotz dieser farblichen Veränderung eines Kontrastes von Rot, Gelb, Rot, wie er ursprünglich angelegt wurde, wirkt das Bild in den Arrangements der Farbigkeit einigermaßen ausbalanciert. Entsprechend der positiven wirtschaftlichen Entwicklung interessierten sich die Sammler ab 1660 vermehrt für Prunkstillleben und ihre kalkulierte Ausstattung. Die ersten Arbeiten von Hinz lassen sich in die späten 1660er Jahre datieren. Bastian sieht Inv. 436 zeitlich vor dem Stillleben mit Korallenpokal von 1676 (siehe Inv. 449) und in der Ausgestaltung der Details eng mit dem Kunstkammerregal verwandt (siehe Inv. 435). Rückgriffe auf Willem Kalf, aber auch auf Kupferstiche mit französischen Vorbildern waren hierfür sehr bekannt. Vermittelnd könnte hier auch Cornelis Norbertus Gijsbrechts gewirkt haben. M. S.
1 Briefl. Mitteilung vom 6. 6. 1990 von Wolf-Rüdiger Teegen, Hameln.
2 Bastian 1984, Abb. 140, zitiert ein Blatt in der Bibliothèque nationale, Paris, Inv. Ed 42e, S. 12.
LIT.: Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1906, Hamburg 1907, S. 10, 33; Katalog 1918, S. 65; Katalog 1921, S. 67 f.; Katalog 1930, S. 63; Rudolf Arthur Peltzer, Georg Hinz (Hainz), der Pseudo-B.(arend) van der Meer, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst N. F. 11, 1934,
S. 13, Nr. 2; Katalog 1956, S. 72; Katalog 1966, S. 75; Karin Bastian, Georg Hinz und sein Stillebenwerk, Phil. Diss. Hamburg 1984, S. 265 f., Nr. 28.