
Wassily Kandinsky
Arabischer Friedhof, 1909
Die Darstellung eines muslimischen Friedhofs geht auf Kandinskys Erinnerungen an seine Tunisreise von 1905 zurück. Die Grabstätte scheint weniger ein Ort schmerzvoller Trauer zu sein als vielmehr ein friedlicher Platz des Gedenkens. Dies vermittelt besonders die leuchtende Farbigkeit: Kandinsky verteilt alle Grundfarben rhythmisch über die gesamte Bildfläche. Formkorrespondenzen harmonisieren die mosaikhafte Komposition und schaffen ungewöhnliche Wechselbeziehungen. Kandinsky verwebt Figuren und Flächen so miteinander, dass ein vibrierendes Muster entsteht, und er hält Wirklichkeit und Abstraktion im Gleichgewicht. Für ihn, der das Geistige im Materiellen suchte, war der Friedhof ein Ort besonderer Spiritualität, an dem sich Diesseits und Jenseits begegnen. Dafür spricht auch die symbolistische Szene im Vordergrund, in der sich eine leuchtend blaue Gestalt und eine dunkle Mumienfigur gegenüberstehen.
Dagmar Lott-Reschke