Jürgen Ovens
Nicolaes Maes, ehemals
Selbstbildnis, um 1652
Der in den Niederlanden ausgebildete Künstler wirkte als Hofmaler der Herzöge im schleswigschen Gottorf. Im Selbstbildnis übernimmt er eine für die Maler des Giorgione-Tizian-Kreises typische Wendung des Kopfes, die der lebendigen und effektvollen Vergegenwärtigung der Person dient. Darüber hinaus war die kapriziöse Haltung als allegorischer Hinweis auf die künstlerische Inspiration des Malers beliebt. Das Bildnis wurde einst Philippe de Champaigne, Nicolaes Maes, aber auch Jan Lievens zugeschrieben. Demgegenüber wird die Autorschaft Ovens’ durch ein ähnliches Selbstbildnis auf dem Familienepitaph in der Kirche von Tönning bei Schleswig gestützt.
Jenns E. Howoldt
Das bereits 1817 in der Sammlung Schmidt als Werk Ovens' verzeichnete Gemälde2 wurde von Pauli als Selbstbildnis des Malers erkannt. Zwischenzeitlich war das Bildnis Anton van Dyck, Philippe de Champaigne und Nicolaes Maes3 zugeschrieben. Paulis Identifizierung beruhte auf dem Vergleich mit einem um 1652 entstandenen Selbstbildnis Ovens' auf dem Epitaph der Familie in der St. Laurentius-Kirche in Tönning.4
Ovens folgte in seiner Komposition Rembrandts radiertem Selbstbildnis von 16395 und dessen ein Jahr später gemaltem Selbstbildnis in London.6 Er übernahm die Drehung des Oberkörpers mit der vorgeschobenen Schulter und dem angewinkelten Arm, den man sich auf einer Balustrade aufliegend vorzustellen hat. Der Kopf wendet sich dem Betrachter zu, ohne ihn jedoch direkt anzublicken. Das hellbeschienene Gesicht wird von üppigem, bis auf die Schulter fallendem gelockten Haar gerahmt.7 Das Inkarnat ist fein nuanciert und das Haar weich modelliert. Schlüter-Göttsche schrieb das Bildnis wegen seiner hohen malerischen Qualität Jan Lievens zu, der es zu Beginn von Ovens' zweitem Amsterdamer Aufenthalt 1658/59 angefertigt habe.8 Sumowski und Ekkart9 wiesen diesen Vorschlag zurück.
Eine Entstehung von Inv. 26 während Ovens' erstem Aufenthalt in Amsterdam kann aufgrund der Ähnlichkeit mit dem Tönninger Bildnis ausgeschlossen werden. Pauli und Hall nehmen ein Datum am Anfang der fünfziger Jahre an. Sumowski schlägt mit Hinweis auf Ovens' Selbstbildnis auf der Allegorie auf Herzog Christian Albrecht von Holstein-Gottorf als Beschützer von Kunst und Wissenschaft von 166110 eine Entstehung zu Beginn der sechziger Jahre vor. Ovens' Zeichnung im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, die als Vorstudie für das Bildnis in Tönning angesehen wird, bietet für die Datierung keine Anhaltspunkte.11
In der Slg. Schmidt befand sich von Ovens ferner ein Frauenporträt, möglicherweise die Darstellung seiner Ehefrau Maria, von der mehrere Fassungen bekannt sind.12 Eine alte Kopie von Inv. 26 besitzt das Landesmuseum Schleswig.13
Thomas Ketelsen 2001
1 S. A. C. Dudok van Heel, Het »Schilderhuis« van Govert Flinck en de Kunsthandel van Uylenburgh aan de Lauriergracht te Amsterdam, in: Jaarboek van het Genootschap Amstelodamum 74, 1982, S. 77 f.
2 Katalog Slg. Schmidt 1817, S. 88, Nr. 658: »Jur. Ovens. Ein Mannsportrait von seiner Familie. Der Kopf und sein Haupthaar sind ganz Natur. Die Nase steht, so zu sagen, aus dem Gemälde. Das Fleisch und Colorit sind ohne alle Uebertreibung wahr. Er sieht den Zuschauer an und hört ihm zu. Er lebt. a. L. h. 2 F. 4. Z. br. 1 F. 11 Z.«
3 Diese Zuschreibung stammt von Abraham Bredius (1914),
lt. Katalog 1918.
4 Lw., 50 x 40 cm, Tönning, St. Laurentius; Dudok van Heel 1982 (wie Anm. 1), S. 80, Abb. Laut Inschrift wurde das Epitaph nach dem Tod der Maria Ovens 1691 aufgestellt. Ovens trägt die ihm von Friedrich III. überreichte Kette mit dessen Bildnis, was für die Datierung von Schmidt (1922) um 1652 spricht.
5 Vgl. Rembrandts Selbstbildnisse, hrsg. v. Ch. White, Q. Buvelot, Ausst. Kat. National Gallery, London, Mauritshuis, Den Haag 1999 (dt. Ausgabe), S. 170-172, Nr. 53.
6 Lw., 93 x 80 cm, National Gallery, London, Inv. 672; Katalog London 1991, Bd. 1, S. 229-341; Rembrandts Selbstbildnisse 1999 (wie Anm. 5), S. 173-175, Nr. 54. Rembrandts Selbstbildnisse dienten auch anderen Schülern wie Ferdinand Bol, Govaert Flinck oder Samuel van Hoogstraten als Vorbild für ihr eigenes Bildnis.
7 Die Kataloge von 1930, 1956 und 1966 sprechen irrtümlich von einer Allongeperücke, ebenso Hall 1963 (»met pruik«), Sumowski, Bd. 3, 1983, S. 2221 (»barocker Perückenkopf«); dagegen bereits Schlüter-Göttsche 1976, S. 45.
8 Ebd., S. 44-46.
9 Mündl. Mitt. vom 14. 10. 1993.
10 Sumowski, Bd. 3, 1983, S. 2230, unter Nr. 1508.
11 Kreide in Braun und Gelb auf grauem Papier, 375 x 246 mm, Kupferstichkabinett, Hamburger Kunsthalle, Inv. 22347; Sumowski, Drawings, Bd. 9, 1985, S. 4562, Nr. 2029; zuletzt Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. A. Röwer-Kann, Kunsthalle Bremen 2000,
S. 100 f., Nr. 50, mit Hinweis auf Inv. 26.
12 Katalog Slg. Schmidt 1817, S. 93, Nr. 681: »Ein Frauenportrait von seiner Familie. Der Kopf ist lebendig, und auf ihren Putz ist viel Fleiß verwandt. So schön wie von Dyck. Wie No. 650 [muß heißen: 658]. Wie unnatürlich sind die bunten französischen Portraits gegen diese ächten Kinder der Natur. h. 2 F. 4 Z. br. 1 F. 11 F.« Vgl. Sumowski, Bd. 3, 1983, S. 2233, Nr. 1529.
13 Lw., 65,5 x 53,5 cm, Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Gottorf, Inv. 1974/1440; Katalog der schleswig-holsteinischen Künstlerporträts aus dem Bestand des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums, bearb. v. P. Zubek u. a., Schleswig 1981, S. 47, Nr. 141, als weitere Fassung verzeichnet.
Ausst.: Jürgen Ovens, Städtisches Museum, Flensburg 1963, Nr. 27; Rembrandt, oder nicht?, Hamburger Kunsthalle 2000, S. 62 f., Nr. 11.
Lit.: Verzeichniß der gegenwärtigen Gemäldesammlung des Hof- und Landgerichtsadvocaten Schmidt in Kiel, Kiel 1817, S. 88, Nr. 658 (als Ovens); Handschriftlicher Katalog der Slg. Johannes Amsinck 1836, Nr. 50 (als Van Dyck); Verzeichnis 1880, S. 4, Nr. 25 (als Champaigne); Katalog 1918, S. 91 (als Maes); Katalog 1921, S. 94; Katalog 1930, S. 80 f.; Gustav Pauli, Ein neues Selbstbildnis von Jürgen Ovens in der Hamburger Kunsthalle, in: Nordelbingen. Beiträge zur Heimatforschung in Schleswig-Holstein 8, 1931, S. 243-247, Abb. 1; Adolph Staring, Weinig bekende portrettisten. I. Inleiding, in: Oud Holland Kunsthistorische Verkenningen, Den Haag 1948, S. 36, Taf. X, Abb. 6; Katalog 1956, S. 117; H. van Hall, Portretten van Nederlandse beeldende Kunstenaars, Amsterdam 1963, S. 241, Nr. 2; Katalog 1966, S. 122; Bernard Dorival, Philippe de Champaigne 1602-1674. La vie, l'œuvre, et le catalogue raisonné de l'œuvre, 2 Bde., Paris 1976, Bd. 2, S. 338,
Nr. 1823, S. 505, Abb. 1823 (als Champaigne); Gertrud Schlüter-Göttsche, Die Selbstbildnisse und Bildnisse von Jürgen Ovens, in: Nordelbingen 45, 1976, S. 44-46, Abb. (als Lievens); Götz Adriani, Deutsche Malerei des
17. Jahrhunderts, Köln 1977, S. 114, Abb. 101; Sumowski, Bd. 3, 1983, S. 2221, 2235, Nr. 1542, S. 2297, Abb.; Hans-Joachim Raupp, Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert (Phil. Diss. Bonn 1979), Hildesheim u. a. 1984, S. 215.