Ferdinand Hodler
Thunersee mit Stockhornkette, um 1910
Den Sommer des Jahres 1910 verbrachte Ferdinand Hodler am Thunersee. Die Gegend und das Motiv waren ihm vertraut: In Bern geboren, war er im nahen Thun bei einem touristischen Vedutenmaler in die Lehre gegangen. Jahrzehnte später war sein künstlerisches Interesse nicht mehr auf Detailreichtum und Wirklichkeitstreue gerichtet – nun wollte er die Ordnung der Natur fassen, ihre wiederkehrenden Gesetze und Strukturen. Nach diesem Prinzip des „Parallelismus“ baute er vom Menschen unberührte, stilisierte Landschaften aus sich wiederholenden, oft symmetrischen Elementen. In anderen Darstellungen von Bergseen inszenierte Hodler Spiegelungen auf dem Wasser oder sich vertikal verdoppelnde Bergspitzen. In diesem Gemälde schichtete er die beiden Ufer, See, Gebirgszug und Himmel als unterschiedlich breite Bänder horizontal übereinander in die Bildfläche. Nuancierte kühle Blau- und Grüntöne und dünne Malschichten auf einem feinen Gewebe tragen zur Einheit und Transparenz der Komposition bei und verstärken ihre monumentale, überzeitliche Wirkung.
Karin Schick