Giovanni Segantini
Glaubenstrost, 1896
Im Herbst 1894 ließ sich Segantini mit seiner Familie in Maloja im Oberengadin nieder. In vielfacher Hinsicht fand die dortige Hochgebirgslandschaft Eingang in seine Bildwelten, so auch auf der zweiteiligen Komposition Glaubenstrost. Während das hochformatige Hauptbild zwei trauernde Figuren auf dem verschneiten Friedhof von Maloja zeigt, hinter dem sich der Bildraum in Richtung der majestätischen Berge öffnet, halten auf dem darüber befindlichen Bild zwei Engel in symmetrischer Ausrichtung die personifizierte Seele der verstorbenen Person. Segantini argumentiert dabei über eine vertikale Bedeutungsachse. An das Wissen von der Endlichkeit der irdischen Existenz knüpft sich die Hoffnung auf ewiges Leben. Zwar sind beide Seinsformen durch den Rahmen explizit getrennt, doch verbindet der helle Grundton beide Bildteile bzw. Sphären miteinander und lässt darüber hinaus das Engadiner Hochgebirge als Ort der Transzendenzerfahrung erlebbar werden. Bereits drei Jahre nach Vollendung des Bildes sollte der Künstler auf dem Friedhof von Maloja seine letzte Ruhestätte finden.
Markus Bertsch