Friedrich Christian Nerly (Nehrlich)
Vesta- und Sibyllentempel in Tivoli, 1834
Hoch über der steilen Felswand von Tivoli erscheint als Bekrönung die Ruine des Vesta- und Sibyllentempels, eines der beliebtesten Ausflugsziele von Rombesuchern seit dem 18. Jahrhundert. Durch die Ansicht von unten wandert der Blick des Betrachters den wild bewachsenen, zerklüfteten Felsen hinauf bis zur eleganten Rundarchitektur des Tempels und suggeriert die Ehrfurcht des Reisenden beim Anblick dieser Sehenswürdigkeit. In der genauen Beobachtung der Lichteffekte auf Blatt- und Steinwerk erscheinen Natur und Architektur zugleich als Einheit und Gegensatz. Der Vesta- und Sibyllentempel zählte zu den häufigsten Bildmotiven römischer Landschaftsansichten. Doch diese wohl vor Ort gemalte Studie zeigt einen ungewöhnlichen Bildausschnitt: Den berühmten Wasserfall unterhalb des Abbruchs blendet Nerly geschickt aus und verdeckt auch ein Wirtshaus links neben dem Tempel durch das Blattwerk der Bäume. So konzentriert sich die malerische Wirkung allein auf den Kontrast zwischen der Natur und der Schönheit des antiken Bauwerks.
Désirée de Chair