Adam Frans van der Meulen, Werkstatt

Landschaft mit dem Schloß von Saint-Germain

Ludwig XIV. und Maria-Theresia sind auf einem Ausritt dargestellt, vier Pagen zu Fuß begleiten sie. Aus den umliegenden Wäldern sprengen vornehm gekleidete Teilnehmer einer Jagdgesellschaft auf ihren Pferden auf die Lichtung zu; einer hält einen Jagdfalken. In der Ferne erstreckt sich das Schloß Saint-Germain-en-Laye, in dem Ludwig am 5. September 1638 geboren wurde. Terrasse und Treppe führen durch einen Ziergarten zur Seine.
Die Komposition geht auf eine Erfindung von Charles Le Brun zurück. Als Premier Peintre du Roi entwarf Le Brun eine Serie von zwölf Gobelins mit Ansichten der königlichen Schlösser, im Vordergrund ist zumeist Ludwig XIV. auf der Jagd dargestellt.2 Bei der Ausführung der gemalten Skizzen und Kartons, die der Königlichen Gobelin-Manufaktur als Vorlagen dienten, war neben anderen Künstlern auch Van der Meulen beteiligt. Er selbst war seinen Memoiren zufolge für die Figuren vor der Ansicht von Saint-Germain-en-Laye verantwortlich - »le Roy et la Reyne à cheval, et les dames à cheval«.3
Von der im Atelier von Jean Lefebvre gewirkten Teppich-Serie, deren erste Stücke 1670 fertiggestellt waren, sind weitere sechs Serien bekannt, die meist als Geschenke verwendet wurden. Jeden einzelnen Teppich schmücken Fruchtgirlanden und ein Medaillon mit der Darstellung eines Tierkreiszeichens, bei der Ansicht von Saint-Germain ist es das Zeichen der Zwillinge für den Monat Mai.4 Dort hält der Page hinter der Königin einen Schirm, der auf Inv. 101 nicht ausgeführt wurde, was die Armhaltung des Pagen hier unmotiviert erscheinen läßt.
Van der Meulen hat die Ansicht des Schlosses 1669 in einem Gemälde aufgegriffen. Dieses rund gefaßte Gemälde bildete mit Ansichten der Schlös- ser in Versailles, Vincennes und Fontainebleau ein Ensemble, das bis 1680 die Chambre du petit appartement du Roi im alten Schloß von Saint-Germain-en-Laye zierten.5 Die Ansicht des Schlos- ses ist näher herangerückt, die Personen beschränken sich auf Ludwig XIV und zwei Begleiter. Der Vergleich dieses Gemäldes mit Inv. 101 führt die vereinfachte Darstellung der Figuren und der Architektur auf dem Hamburger Bild vor Augen, wahrscheinlich wurde es in der Werkstatt oder von fremder Hand nach dem Gobelin ausgeführt. Von Van der Meulen selbst stammt eine Ansicht von Fontainebleau von 1684, welche ebenfalls die Komposition des entsprechenden Gobelins wiederholt.6
Bekannter als die Serie der Schloßansichten ist Van der Meulens Teppichserie mit der Histoire du Roy. Nach seinen Vorzeichnungen und Ölskizzen zu dieser Serie entstanden auch Gemälde.7

Thomas Ketelsen 2001

1 I. Richefort, Nouvelles précisions sur la vie d'Adam François Van der Meulen, peintre historiographe de Louis XIV, in: Bulletin de la Sociéte de l'Histoire de l'Art français 1986, S. 57-80; dies., Van der Meulen, sa vie, son œuvre, in: A la gloire du Roi. Van der Meulen, peintre des conquêtes de Louis XIV, Ausst. Kat. Musée des Beaux-Arts, Dijon, Musée d'histoire de la Ville de Luxembourg 1998, S. 35-43.
2 Erste Entwürfe gehen in das Jahr 1664 zurück, s. C. Gastinel-Coural, Van der Meulen et la Manufacture royale des Gobelins, in: A la gloire du Roi (wie Anm. 1), S. 110-120, bes. 113-115.
3 Ebd., S. 114.
4 Ebd., S. 121 f., Nr. 21D. Auch der Karton für die Ausführung hat sich erhalten. Die übrigen Gobelins zeigen die Ansichten folgender Schlösser: Louvre (Januar), Palais-Royal (Februar), Madrid (März), Versailles (April), Fontainebleau (Juni),
Vincennes (Juli); Marimont (August), Chambord (September), Tuilerien (Oktober), Blois (November), Monceaux (Dezember).
5 Lw., 56 cm (im Durchmesser), Musée National du Château, Versailles, Inv. MV 2144; Les Peintures, Bd. 2, bearb. v.
C. Constans, Paris 1995, S. 88, Nr. 4979; A la gloire du Roi (wie Anm. 1), S. 106, Nr. 18; zu dem Ensemble s. ebd., S. 105-109,
Nr. 17-20.
6 Lw., 96 x 126 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv. 1520; Catalogue sommaire illustré des peintures du Musée du Louvre,
Bd. 3, École Française, 3 Tle., bearb. v. A. Compin, A. Roquebert, Paris 1981-1986, Tl. 3, S. 261.
7 W. Schulz, Adam François van der Meulen und seine Condé-Ansichten, in: Bulletin des Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique 23-29, 1974-1980, S. 245-266; ferner Gastinel-Coural in: A la gloire du Roi (wie Anm. 1), S. 115-117.

Lit.: Verzeichnis 1869, S. 42, Nr. 221; Paul Lafond, Les Tapisseries du Château de Pau, in: L'Art 2, 1893, S. 26 f.; Katalog 1918, S. 107; Katalog 1921, S. 112; Katalog 1930, S. 106; Katalog 1956, S. 108; Katalog 1966, S. 113.

Details about this work

Leinwand 104cm x 138.5cm (Bild) 121cm x 155cm (Rahmen) Inv. Nr.: HK-101 Collection: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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