Giovanni Ottaviani, Stecher
und Giovanni Volpato, Stecher
nach Gaetano Savorelli, Zeichner
und Pietro Camporesi d. Ä., Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
Marco Pagliarini, Verleger

Lünette, Pendentifs und Gewölbefeld des ersten Jochs der Loggien mit der Darstelung: Gott scheidet das Licht von der Finsternis, 1776 (zwischen 1772 und 1774 gestochen und radiert)

Aus: "Loggie di Rafaele nel Vaticano" Band II, Tafel 1

Nachdem im ersten Teil der Edition der Loggien-Ausstattung die inneren Pilaster vorgestellt worden waren (Inv.-Nr. 2020-16), widmete sich der zweite, 1776 veröffentlichte Abschnitt den Gewölben, Lünetten und Pendentifs. (Anm. 1) Erstmals überhaupt wurden damit die biblischen Ereignisse nicht mehr als isolierte Einzelszenen, sondern in ihrem räumlichen Zusammenhang reproduziert. Für all diejenigen, die die lange Zeit schwer zugänglichen Loggien nicht aus eigener Anschauung her kannten, musste dies geradezu irritierend sein. Plötzlich stellten die vormals groß wirkenden Bibelszenen nur einen vergleichsweise kleinen Abschnitt im Gewölbebereich dar. Und selbst eine so großartige Komposition, wie der dynamisch und monumental wirkende Gottvater, der Licht von der Finsternis scheidet, hat es schwer, sich im reichen Umfeld der Dekorationen zu behaupten. Irritierend musste auch sein, dass man heidnisch-antike und christliche Motive in fast direkter Nachbarschaft wahrnahm. So befinden sich Gottvater und die ihn umgebende große Engelschar direkt oberhalb von drei Greifenpaaren. Nun gewannen die auf sattem Blau angebrachten prallen Fruchtgehänge sogar ein optisches Übergewicht gegenüber den hierarchisch
viel bedeutenderen biblischen Szenen.
Die Herausgeber der Edition hatten ein sehr großes Format gewählt, was zur Folge hatte, dass man zur vollständigen Ansicht zwei Blätter aneinanderlegen oder zusammenkleben musste. Positiv gesehen ermöglichte dies eine sehr genaue Wiedergabe zahlreicher Details – dies war umso verdienstvoller, als die im oberen Bereich angebrachten Malereien und Stuckreliefs für Besucher nur schwer erkennbar waren. Dies erweiterte die Kenntnis von der frappierenden Schönheit und der reichen Ikonographie der Kompositionen beträchtlich. (Anm. 2) Beispielsweise sieht man in den Pendentifs Stuckreliefs mit einer Frau, die ein Instrument spielt (rechts) und einen Mann, der sich einen Strumpf anzieht (links). Auf den ersten Blick wirken diese Darstellungen wie Antikenkopien, doch gehört es zum Prinzip von Raffaels Loggien-Ausstattung, dass auch gern mit Zitaten und Anverwandlungen gespielt wurde – hier dürfte es sich um die Variation einer Figur aus Michelangelos damals weithin bekanntem Karton der Schlacht von Cascina handeln. (Anm. 3)
Bemerkenswert ist, dass dieser zweite Teil der Loggien-Edition von jedem Joch nur jeweils eine Ansicht zeigte. Dadurch wurden von den 42 Bibelszenen nur 13 abgebildet. Entsprechend begrenzt waren die zur Verfügung gestellten Ansichten der Lünetten und Pendentifs. Diese Entscheidung war sicherlich aus ökonomischen und pragmatischen Gründen gefällt worden. Unabhängig von dieser Einschränkung ist die künstlerische Qualität der Edition hervorragend und ein Ergebnis bester Teamarbeit. Gemäß ihren Schwerpunkten teilten sich die Graphiker die Felder auf: Volpato konzentrierte sich offenbar auf die biblischen Szenen, während Ottaviani den größeren Bereich der dekorativen Elemente übernahm. Beide griffen auf hervorragende Zeichnungen von Gaetano Savorelli zurück. Die Drucke wurden wie auch diejenigen des ersten Teils schwarzweiß oder handkoloriert angeboten, wobei diese Versionen mit manchen Pastelltönen unverkennbar vom Zeitgeschmack geprägt sind (vgl. Inv.-Nr. 2020-16).
David Klemm

LIT (Auswahl): Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 105,
Nr. XIII.21; Marini 1988, S. 123, Nr. 174; Höper 2001, S. 476, Nr. G 21.20 (mit älterer Lit.)

1 Vgl. Allgemein Aust.-Kat. Tours 2007.
2 Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 106.
3 Dacos 1977, S. 207. Dies ist ein Beispiel wie schnell die Künstler damals Leistungen anderer Künstler aufnahmen und zugleich eine Verbeugung vor dem Genius des Michelangelo.

Details about this work

Kupferstich und Radierung 631mm x 581mm (Platte) 845mm x 686mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 58218 Collection: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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