Anonym (italienisch, um 1700)

Fürsorge für einen alten Mann (Die Heilung des blinden Tobit ?)

Die schöne Zeichnung gelangte 1908 als Werk eines anonymen niederländischen Künstlers des 17. Jahrhunderts ins Kabinett. Diese Einschätzung wurde bislang beibehalten. Der geschmeidige Zeichenstil, der geschickt die Wirkung von braunem Fond und Weißhöhung zur Erzielung atmosphärischer Stimmung nutzt, deutet aber stärker auf eine italienische Herkunft, worauf Hugo Chapman(Anm.1), Bert W. Meijer und Jan van der Sman (Anm.2) hinwiesen. Thomas Ketelsen brachte die Studie mit einem kompositionell ähnlichen Gemälde von Bernardo Cavallino in Verbindung, jedoch ist dessen Zeichenstil nicht zwingend mit dem Hamburger Blatt zu verbinden.(Anm.3)
Simonetta Prosperi Valenti Rodinò (Anm.4) hielt eine Entstehung in Florenz im frühen 17. Jahrhundert für denkbar, was Ursula Fischer Pace (Anm.5) unterstützte und sich konkret an Zeichnungen Bartolomeo Salvestrinis erinnert fühlte. Roberto Contini schloss dagegen eine Herkunft aus Florenz aus und schlug versuchsweise einen Künstler in stilistischer Nähe zu Domenico Fetti vor.(Anm.6)
Da demnach eine genauere Einordnung noch schwierig ist, wird die Zeichnung den anonymen Italienern zugewiesen.
Problematisch ist auch die Deutung des Themas. Dargestellt ist offensichtlich, wie sich ein jüngerer Mann im Beisein zweier Engel um einen auf einem Stuhl sitzenden Alten kümmert. Diese Szene läßt sich jedoch nicht zwingend mit der bisherigen Deutung als „Heilung des blinden Tobit“ verbinden. In der Überlieferung dieser Geschichte (Tobit 11, 9–11) begegnete Tobias seinem erblindeten Vater außerhalb des heimischen Hauses, und auch die Heilung durch das Auflegen der Galle auf die Augen fand laut Überlieferung im Freien statt. Gegen die alte Deutung spricht zudem, dass nicht Raphael allein, sondern noch ein zweiter Engel dargestellt ist. Eine Benennung als „Heilung des Tobit“ ist daher nur dann vertretbar, wenn man die Szene als sehr freie Umsetzung interpretieren wollte. Möglicherweise handelt es sich um eine noch nicht erkannte Episode aus einer Heiligenvita.

1 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 18.1.2008.
2 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 2.5.2008.
3 Mündliche Mitteilung, September 1996.
4 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Photographie, März 2007.
5 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Photographie, März 2007.
6 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 14.5.2008.

Details about this work

Kohle und weiße Kreide auf braunem Papier 381mm x 287mm (Blatt) Inv. Nr.: 52387 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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