Pietro di Giovanni di Ambrogio (Kopist)

Heimsuchung Mariens, 19. Jahrhundert(?)

Das Blatt gelangte als Arbeit eines anonymen italienischen Zeichners des 16. Jahrhunderts in die Sammlung. Diese Einschätzung wurde bislang beibehalten, obwohl Komposition, Figurendarstellung und Architekturszenerie eindeutig ins Quattrocento weisen. Tatsächlich handelt es sich um eine spiegelbildliche Wiedergabe eines Ölgemäldes von Pietro di Giovanni d’Ambrogio (1410–1449), der in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts in Siena tätig gewesen ist.(Anm.1) Die Zeichnung gibt das Gemälde im Ganzen sehr genau wieder, lediglich kleinere Details – wie die Kopfhaltung des Kindes rechts – wurden verändert.(Anm.2)
Die Verwendung von Rötel und der Zeichenstil schließen einen direkten Entstehungszusammenhang zwischen Zeichnung und Gemälde definitiv aus. Eine gewisse Leblosigkeit der Gesichtstypen legt eine Datierung ins 19. Jahrhundert nahe.(Anm.3) Der flaue Gesamtcharakter und eine fragmentarisch erkennbare Spiegelschrift am unteren Bildrand lassen vermuten, dass es sich bei dem Blatt um einen Abklatsch einer Kreidelithographie handelt, die möglicherweise zum Zweck einer Reproduktion angefertigt wurde. Eine derartige Graphik ist bislang nicht nachweisbar.

David Klemm

1 Vgl. John G. Johnson Art Collection, Catalogue of Italian Paintings. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia 1966, S. 121, Nr. 108. Die Provenienz des Gemäldes lässt sich nur bis 1908 zurückverfolgen. Der anonyme Zeichner muss das Werk vorher gesehen haben, da seine Nachzeichnung bereits 1908 in den Besitz der Kunsthalle gelangte.
2 Bis September 2007 wurde die Komposition des Blattes aufgrund der Übereinstimmung mit Werken Ghirlandaios (vgl. die Wandbilder in S. Maria Novella in Florenz, vor allem die „Heimsuchung“) ins späte Quattrocento datiert. Vgl. Ronald G. Kecks: Domenico Ghirlandaio und die Malerei der Florentiner Renaissance. Italienische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, hrsg. v. Max Seidel, Vierte Folge, Bd. 2, München, Berlin 2000, Tafel VIII, 2.
3 Dieser Einschätzung stimmte auch Hein-Th. Schulze Altcappenberg auf dem Symposium „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28.10.2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle zu.

Details about this work

Rötel 235mm x 463mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52265 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

We are committed to questioning the way we talk about and present art and our collection. Therefore, we welcome your suggestions and comments.

Feedback