Anonym (italienisch, 16. Jh.)
Eine Mutter, ihrem kleinen Sohn vorlesend
Die bislang unbeachtete Zeichnung wurde ehemals Paolo Veronese zugeschrieben, dann aber seit dem Zugang ins Kabinett versuchsweise mit dem Genueser Giovanni Andrea Ansaldo (1584–1638) in Verbindung gebracht. Diese Einschätzung dürfte vielleicht auf die auffallend bildwirksame Architektur zurückzuführen sein, die sich vereinzelt auf den wenigen für den Künstler gesicherten Zeichnungen findet. Im Vergleich zu dem Ansaldo gegebenen Hamburger Blatt (Inv.-Nr. 52198) wirkt die Architekturkulisse auf der vorliegenden Zeichnung jedoch qualitativ deutlich schwächer. So ist beispielsweise die Perspektivkonstruktion nicht richtig ausgeführt. Hinzu kommen zeichnerische Defizite, wie die überlängte weibliche Figur im Türrahmen. Eine Zuschreibung an Ansaldo erscheint daher wenig sinnvoll. Eine überzeugende alternative Einordnung ist bislang nicht gelungen.
Die Deutung der Szene bleibt unklar. Wahrscheinlich handelt es sich um eine genrehafte Beobachtung. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass hier eine Begebenheit aus der Kindheit eines Heiligen geschildert wird.
David Klemm