Gerdt Hardorff d.Ä., Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder

Schreibende Hände (Detail des Schreibers aus Raffaels Fresko der "Disputà"), wohl 1788/94

Der Hamburger Maler Gerdt Hardorff d. Ä. studierte 1788 bis 1794 an der Dresdner Kunstakademie bei Giovanni Battista Casanova, dem älteren Bruder des berühmten Abenteurers Giacomo Casanova. (Anm. 1) Im Sommer 1794 kehrte er nach Hamburg zurück, wo er 1797 das Bürgerrecht erhielt und trotz seiner insgesamt eher durchschnittlichen künstlerischen Fähigkeiten, eine wichtige Vermittlerrolle im Hamburger Kunstleben spielte. Giovanni Battista Casanova besaß eine umfangreiche Sammlung von gezeichneten Kopien nach Raffael, die er in Italien zu Studienzwecken angefertigt hatte und die er seinen Schülern an der Akademie als Lehrmaterial zugänglich machte. Die vorliegende Zeichnung zweier Hände, die eine Feder und ein Tintenfass zeigen, wird Hardorff wohl in Dresden nach einer dieser nicht mehr erhaltenen Zeichnungskopien seines Lehrers Casanova angefertigt haben, doch lässt sich auch eine unbekannte druckgraphische Vorlage nicht ganz ausschließen, ohne dass eine solche im Maßstab als Vorlage geeignete Druckgraphik bisher bekannt wäre. (Anm. 2) Das hier wiedergegebene Motiv ist eindeutig eine Detailkopie aus der Figur des Schreibers in Raffaels Fresko der Disputa (vgl. Inv.-Nr. 718), der auf der rechten Hälfte der Komposition unterhalb des ihm diktierenden Kirchenvaters Augustinus auf den Stufen sitzt. (Anm. 3) Der Papierbogen ist in Hardorffs Kopie im Gegensatz zu Raffaels Vorbild leer, was sicher bereits in der zugrunde liegenden Kopie der Fall gewesen sein wird.

Ab September 1798 unterrichtete Hardorff den jungen Philipp Otto Runge, nachdem dessen erster, ab 1797 aktiver Lehrer Heinrich Joachim Herterich nach Dresden ging, an zwei Tagen in der Woche im Zeichnen. Für diesen Unterricht wurde Runge eigens von seiner Büroarbeit in der Firma des Bruders Daniel Runge freigestellt. 1799 begann Runge dann endlich sein Studium an der Kopenhagener Akademie. Davor wird er 1798/99 eine Kopie auf weißem Papier nach der hier präsentierten Zeichnung Hardorffs auf blauem Papier gezeichnet haben (Abb. 14 auf S. 60). Runge lernte so bei Hardorff sehr früh die Werke Raffaels kennen (vgl. auch Runges Kopien nach Raffaels Gemälde der Verklärung Christi; Kat. 119–121), ohne je selbst in Italien gewesen zu sein. Hardorff selbst zeichnete sich durch ein großes pädagogisches Talent aus. Er veröffentlichte später eine Reihe von Vorlagenblättern zum Unterricht im Zeichnen. Während seiner Dresdner Zeit 1801 bis 1804 zeichnete Runge an der dortigen Akademie selbst noch nach den Kopien Casanovas, die er durch Hardorff in Hamburg kennen gelernt hatte und die nach Casanovas Tod 1798 noch vorhanden waren und den Schülern zur Verfügung standen.
Andreas Stolzenburg

LIT (Auswahl): Traeger 1975, S. 268, bei Nr. 84, Abb.; Ausst.-Kat. Hamburg
1977a, S. 83, Nr. 26A

1 Zu Hardorff siehe Traeger 1978; Vagt-Beck 1984.
2 Druckgraphische Detailkopien aus Werken Raffaels gibt es in der Druckgraphik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts immer wieder (vgl. Kat. 118), doch die Hände des Schreibers aus der Disputa sind darunter bislang nicht zu finden.
3 Frommel 2017, Abb. 18 auf S. 114–115. Der Hinweis auf das von Traeger 1975 noch nicht erkannte Motiv stammt von Markus Bertsch, Hamburg.

Details about this work

Schwarze Kreide auf blauem Papier 235mm x 280mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 1908 Inv. Nr.: 42963 Collection: KK Zeichnungen, Hamburg, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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