Caspar David Friedrich
Zwei Frauenhauben auf Ständern, 1806
Alle vier Blätter (Inv.-Nr. 41108-41111) hat Christina Grummt der sogenannten Loseblattsammlung von 1806 zugeordnet, deren lose Blätter alle ein einheitliches Format von etwa 360 x 260 mm aufweisen. Auch für die folgenden Jahre hat Friedrich Grummt zufolge solche Loseblattsammlungen angelegt, die durch das Zerschneiden größerer Bögen entstanden und von Friedrich offenbar in Mappen aufbewahrt wurden.(Anm. 1)
Grummt schließt aufgrund unterschiedlicher Wasserzeichen und äußerer Indizien wie das Fehlen von Bindungskanten oder abgerundeter bzw. abgeschrägter Ecken eine Zugehörigkeit der Hamburger Blätter im Gegensatz zu Helmut Börsch-Supan zu einem aufgelösten Skizzenbuch aus. Die Zugehörigkeit der vier Blätter, die alle Frauenhauben zeigen, zur Loseblattsammlung nimmt Grummt deshalb an, weil ihre Maße dem halben Format der Loseblattsammlung von 1806 entsprechen, Friedrich die Blätter für die Darstellung der Hauben also halbiert habe. Alle Zeichnungen entstanden auf demselben Papier, von denen drei das Wasserzeichen „IVY MILL“ tragen. Grummt liest dagegen „KEY MILL“ und ergänzt es als „J WHATMAN TUR[KEY MILL]“ (Anm. 2), doch handelt es sich um kein Whatman-Papier.
Zwei Blätter zeichnete Friedrich am 1. Juni 1806 (Inv.-Nr. 41108 und 41109), die beiden anderen am 16. Juni 1806 (Inv.-Nr.. 41110 und 41111). Zu dieser Zeit befand sich Friedrich auf einer Reise in seine Heimat, die ihn offenbar zuerst nach Breesen bei Neubrandenburg geführt hatte, wo seine Schwester Catharina Dorothea Sponholz seit ihrer Heirat mit dem Pastor August Jakob Friedrich Sponholz 1791 lebte. Am 14. und 15. Mai 1806 hatte Friedrich in Breesen Bildnisse seiner Schwester und zwei ihrer Kinder gezeichnet (vgl. Inv.-Nr. 1969-162 und 1969-163), an den beiden folgenden Tagen entstanden offenbar auch in Breesen weitere Familienporträts.
Aufgrund der zeitlichen Nähe hat man die Entstehung der beiden am 1. Juni datierten Blätter in Breesen im Haus von Friedrichs Schwester vermutet (Anm. 3), doch hat Grummt dieser Annahme mit dem Hinweis widersprochen, Friedrich hätte sich am 29. Mai 1806 in Neubrandenburg aufgehalten und seine Reise nach Greifswald fortgesetzt. Friedrichs Besuch – wohl bei seinen Brüdern Adolf und Johann - in Neubrandenburg konnte Hermann Zschoche nachweisen, als er dort in einem Skizzenbuch die ehemalige Hospitalkapelle St. Georg darstellte.(Anm. 4) Allerdings schließt dies die Entstehung der beiden am 1. Juni gezeichneten Frauenhauben bei Friedrichs Schwester in Breesen nicht aus, denn Friedrich könnte auch in den nahegelegenen Ort zurückgekehrt sein und erst danach seine Reise fortgesetzt haben. Am 13. Juni ist Friedrich in Eldena bei Greifswald nachweisbar (Anm. 5) und hielt sich offenbar auch danach in der Nähe von Greifswald auf, weshalb die am 16. Juni gezeichneten Frauenhauben in Greifswald oder in der Nähe entstanden sein müssen.
Die jeweils zwei Blätter unterscheiden sich nicht nur durch das unterschiedliche Datum ihrer Entstehung, sondern vor allem durch ihre andersartige Erfassung des Gegenstands. Es handelt sich bei den vier Darstellungen von Frauenhauben um singuläre Motive in Friedrichs Werk, die sehr unterschiedlich behandelt werden. Während die am 1. Juni entstandenen Blätter durch ihre zeichnerische Feinheit, die durch die zarte Aquarellierung noch gesteigert wird, und die lebensnahe Erfassung des Gegenstands auffallen, zu der auch die Präsentation auf einem Ständer gehört, erscheinen die beiden anderen Frauenhauben in ihrer Profilansicht silhouettenartig verkürzt. Die am 1. Juni gezeichneten Frauenhauben dürften nach der Natur entstanden sein, was ihre Entstehung in der Umgebung seiner Schwester nahelegt, während die beiden anderen Frauenhauben vom 16. Juni den Eindruck erwecken, als könnten sie nach Vorlagen etwa aus Modemagazinen entstanden sein.
Peter Prange
1 Vgl. zur Loseblattsammlung von 1806 Grummt 2011, S. 459-460, Nr. 489.
2 Grummt 2011, S. 467-469, Nr. 495-498.
3 Friedrich 1974, S. 151, Nr. 67.
4 Frau beim Wäscheaufhängen vor einer Kapelle, Bleistift, 118 x 182 mm, Oslo, Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Inv. Nr. NG:K & HB. 16069-003, vgl. Grummt 2011, S. 411, Nr. 424, Abb. Zur Identifizierung der Topographie vgl. Hermann Zschoche: Caspar David Friedrich in Neubrandenburg. Ein Beitrag zur Motivbestimmung, in: Dresdener Kunstblätter 32, 1988, Heft 5, S. 150.
5 Vgl. Grummt 2011, S. 453, Nr. 483, Abb.