Caspar David Friedrich
Landweg mit Bach und Brücke, 1802
Börsch-Supan hat vermutet, dass unter Hinweis auf einen Stich von Johann Adolph Darnstedt (Anm. 1) auf Friedrichs Blatt „wahrscheinlich der Ausgang des Plauenschen Grundes bei Dresden hinter dem Hegereiter“ dargestellt sei.(Anm. 2) Zwar zeigt Darnstedt eine etwas andere Situation, doch ist die Lokalisierung nicht unwahrscheinlich; der vedutenhafte Charakter der Ansicht spricht in jedem Fall für eine Gegend in der näheren Umgebung von Dresden.
Der unmittelbare Zusammenhang mit einem ähnlichen Blatt in Mannheim, das das Datum 11. August 1802 trägt (Anm. 3), lässt auch für das Hamburger Blatt eine Entstehung nach der Rückkehr von seiner Reise in die Heimat im Sommer 1802 als sicher erscheinen. Die Hamburger Ansicht zeigt eine Talsohle mit einem sich links in die Tiefe erstreckenden Bach und einem zu diesem parallel verlaufenden, leicht ansteigenden Weg. Links erhebt sich ein Wiesenhang, der verschattet ist und den Friedrich durch mit der Feder sehr kubisch und schroff umrissene Gesteinsformationen akzentuiert hat. Auch rechts erhebt sich ein Wiesenhang, der teilweise von der Sonne beschienen ist und an den rechts im Mittelgrund ein von einer Mauer umzäuntes, parkähnliches Gelände mit Gebäuden anschließt. Im Mittelgrund führt eine Brücke über den Bach, vor der Brücke am Wegesrand steht ein Kreuz, auf dessen Höhe eine Figur den Weg hinaufläuft. Sie wird allerdings nicht von einer zweiten Figur erwartet, die – wie Grummt meint (Anm. 4) – „die leger auf einem der Zäune sitzt“; vielmehr handelt es sich bei dieser Figur um einen Reiter in Rückansicht.
Börsch-Supan versteht das Blatt als eine Vedute, „der ein gedanklicher Gehalt unterlegt ist.“ Das dunkle, verschattete Tal, das sich in eine besonnte Ebene mit Fernsicht öffne, bedeute den Übergang vom Leben zum Tod, in dem das Kreuz die Grenze zwischen beiden markiere.(Anm. 5) Sumowski betonte dagegen zu Recht die Tradition des seit dem 16. Jahrhundert bekannten Typus der Kreuzlandschaft (Anm. 6), der auch in Dresden beispielsweise durch Adrian Zingg Verbreitung fand.(Anm. 7) Zugleich verweist Sumowski auf Novalis, dessen „christlich zentrierter Pantheismus“ Friedrichs Kreuzlandschaften entsprechen. Friedrich hatte diesen Typus offensichtlich bereits früh schon in Kopenhagen aufgegriffen, etwa in der „Felsigen Waldlandschaft mit Kreuz“ (Anm. 8), die um 1799 datiert wird, doch im Gegensatz zu dem dort markant im Bildzentrum präsentierten Kreuz ist auf den beiden Blättern in Mannheim und Hamburg der Einsatz des Kreuzes als Bedeutungsträger zurückhaltender. Zwar nimmt auf dem Hamburger Blatt das Kreuz auch eine zentrale Position ein, die gewährleistet, dass es den Blick des Betrachters auf sich zieht, doch ist es kleiner und in die Landschaft eingebunden. In Verbindung mit dem vedutenhaften Charakter der Landschaft „bleibt offen, ob es sich um gewöhnliche Wegkreuze oder um allegorische Zeichen mit tieferer Bedeutung handelt.“ (Anm. 9) In dieser Unentschiedenheit liegt – wie Grave betont - eine neue Qualität, die den Betrachter nicht mehr zu einer raschen Ausdeutung drängt, und seinen Landschaften damit, wenn nicht jedes Detail sogleich allegorisch zu entschlüsseln ist, eine erhöhte Aufmerksamkeit sichert.
Peter Prange
1 Der Plauische Grund bei Dresden. Mit Hinsicht auf Naturgeschichte und schöne Gartenkunst, herausgegeben von W.G. Becker, mit fünf und zwanzig Kupferblättern, Nürnberg 1799, bei S. 126.
2 Börsch-Supan 1973, S. 267, Nr. 83, Abb.
3 Flusslandschaft mit Hügelkreuz, Bleistift, Feder und Pinsel in Braun, 119 x 179 mm, Kunsthalle Mannheim, Inv. Nr. G 430, vgl. Grummt 2011, S. 349-350, Nr. 349, Abb.
4 Grummt 2011, S. 351.
5 Börsch-Supan 1973, S. 267.
6 Sumowski 1970, S. 110, Anm. 450 mit Beispielen.
7 Adrian Zingg oder Werkstatt, Der Prebischlegel, Feder in Schwarz und Grau, Pinsel in Braun, 512 x 682 mm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 1976-228, vgl. Adrian Zingg. Wegbereiter der Romantik, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Dresden 2012, S. 150, Abb.
8 Felsige Waldlandschaft mit Kreuz, Feder, Tusche und Tuschlavierung, ehemals Sammlung Flinsch, vgl. Börsch-Supan 1973, S. 235-236, Nr. 6, Abb.; vgl. auch Grummt 2011, S. 965, Nr. III-106, Abb..
9 Grave 2012, S. 70.