Caspar David Friedrich

Klosterruine auf dem Oybin, 1810

Zusammen mit Friedrich Kersting hielt sich Friedrich vom 8.-17. Juli 1810 auf einer Wanderung im Riesengebirge auf (Anm. 1), auf dem Weg dorthin besuchten sie am 4. Juli die Klosterruine auf dem Oybin bei Zittau, wo das vorliegende Aquarell entstand. Die am rechten Bildrand befindlichen Detailstudien zweier gotischer Spitzbögen – wohl ebenfalls vom Oybin - und die Farbproben oben rechts oben weisen das Blatt vor der Natur entstanden aus. Entgegen der lange vertretenen Meinung, es sei der ehemalige Chor der Klosterkirche dargestellt, konnte Ludwig Hoch klarstellen, dass es sich um die Darstellung der Sakristei handelt.(Anm. 2)
Der bisherigen Vermutung, das Blatt stamme aus dem Kontext eines aufgelösten Skizzenbuches (Anm. 3), hat Christina Grummt widersprochen, es gebe für die Existenz eines Skizzenbuches außer dem mit mehreren Blättern gemeinsamen Format kein weiteres Indiz, weshalb sie davon ausgeht, es handele sich um eine Sammlung loser gleichformatiger Blätter, die Friedrich auf Reisen benutzt und später in Mappen aufbewahrt hat.(Anm. 4)
Friedrich hat die Naturstudie später für mehrere Werke verwendet: Das früheste ist ein wohl um 1812 entstandenes Gemälde mit der Darstellung der Sakristei (Anm. 5), die Friedrich nahezu wörtlich von der Hamburger Zeichnung übernimmt – eingefügt hat er lediglich links einen Kruzifix und rechts das Standbild einer gotischen Madonna mit Kind sowie in der Mitte einen Altartisch -, doch verändert er deren Proportionen in entscheidendem Maße. Friedrich macht die Architektur steiler, vertikalisiert sie und macht gleichzeitig den Zugang zur Sakristei enger – diese Tendenz zur „Vertikalsteigerung“ hatte bereits Grundmann als Friedrichs wichtigstes Hilfsmittel erkannt, um „von der Skizze zur Bildkomposition zu gelangen.“ (Anm. 6)
Auch Friedrichs 1824 auf der Dresdner Akademieausstellung gezeigtes Gemälde „Huttens Grab“ (Anm. 7) geht auf die Hamburger Naturstudie zurück, doch auch hier hat Friedrich die Architektur vertikal gesteigert. Im Gegensatz zum um 1812 entstandenem Gemälde wird die Architektur hier Bestandteil eines Ereignisbildes.
Zuletzt hat Friedrich das Blatt noch für seine um 1836 entstandene Sepia „Eule in gotischem Fenster“ verwendet.(Anm. 8) Auf Sumowski geht die Beobachtung zurück, dass die Fensterform aus dem rechten Fenster der Naturstudie vom Oybin entwickelt ist (Anm. 9), indem Friedrich für das Blatt in St. Petersburg die Werksteinrahmung übernimmt, die Höhe des Fensters jedoch reduziert.

Peter Prange

1 Die Zeichnungen der Wanderung zusammengestellt bei Grundmann 1974, S. 104.
2 Hoch 1987, S. 139, Anm. 341; zuvor bereits Grundmann 1938, S. 170. Zum Motiv vgl. auch Georg Heinrich Busses Kupferstich, der 1832 vom Sächsischen Kunstverein angekauft wurde, vgl. Bärbel Kovalevski: Die Bilder-Chronik des Sächsischen Kunstvereins Dresden 1828-1836, Frankfurt am Main 2010, S. 168-169, Abb.
3 Zuletzt Ausst.-Kat. Hamburg 2003, S. 30.
4 Grummt 2011, S. 584.
5 Ruine Oybin, Öl/Lw, 65 x 47 cm, Privatbesitz, vgl. Börsch-Supan 1973, S. 325, Nr. 203, Abb.
6 Grundmann 1938, S. 170.
7 Huttens Grab, Öl/Lw, 93 x 73 cm, Klassik Stiftung Weimar, vgl. Börsch-Supan 1973, S. 389, Nr. 316, Abb.
8 Eule in gotischem Fenster, Bleistift, Pinsel in Braun, 378 x 256 mm, St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv. Nr. 43908, vgl. Grummt 2011, S. 889-890, Nr. 983, Abb.
9 Sumowski 1970, S. 151.

Details about this work

Aquarell über Bleistift 255mm x 358mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 41101 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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