Gillis Neyts, Zeichner

Ruinengewölbe im Kolosseum

Dieser Zeichnung gebührt eine Sonderstellung im Œuvre des Künstlers: Nicht nur technisch sticht sie heraus aus den in der Regel mit Feder gearbeiteten Blättern,(Anm.1) auch für Motiv und Stil fehlt der unmittelbare Vergleich.
Darüber hinaus steht Inv.-Nr. 39469 als einziges Blatt in direkter Relation zu einer eigenhändigen Radierung: Auf dem „Ruinengewölbe eines Amphitheaters“ (H. 20) begegnet im Gegensinn die rechte Partie unserer Zeichnung, links erweitert um einen weiteren Gewölbegang. Unterstrichen wird ihre Sonderrolle durch den rückseitig annotierten Verweis auf einen Italien-Aufenthalt („het Colise tot Roomen“). Bislang konnte Neyts in römischen Archiven nicht nachgewiesen werden, und so blieb sein Italienaufenthalt bis auf Weiteres hypothetisch,(Anm.2) doch das vorliegende Blatt wäre durchaus als Dokument für einen Aufenthalt in Rom zu bewerten. Mit Blick auf Technik und Komposition erfüllt es in jedem Fall die Kriterien einer Vor-Ort-Aufnahme: Flüchtig angelegt in Graphit, breitflächig mit dem grauen Tuschpinsel laviert, erinnert es an die Vor-Ort-Aufnahmen holländischer „Italianisanten“, und auch die Konzentration auf ein Gebäudemotiv bei unbearbeitet gelassener „Blindzone“ ist wesentliches Merkmal einer ‘in situ’ ausgeführten Zeichnung.(Anm.3)
Zudem gibt es Hinweise auf einen Aufenthalt in Spanien, der zwischen 1652 und 1660 stattgefunden haben könnte – in dieser Zeit wäre auch eine Fahrt nach Italien grundsätzlich möglich gewesen.(Anm.4)
Signatur und Einfassungslinien, die dem Blatt den Status eines autonomen Kunstwerks verleihen, können zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden sein.

1 Es sind nur wenige lavierte Kreidezeichnungen erhalten, und nur ein ausschließlich mit Pinsel gearbei-tetes Blatt: Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 8616 und Inv.-Nr. 8617, Pierre Gustot: Gillis Neyts. Un paysagiste Brabancon en vallé mosane au XVIIe Siècle, Namur 2008, Nr. D 285 und D 286; St. Petersburg, Staatliches Museum Eremitage, Inv.-Nr. 15408, ebd. Nr. D 284.
2 Vgl. Inv.-Nr. 22824, 39468. Pierre Gustot: Gillis Neyts. Un paysagiste Brabancon en vallé mosane au XVIIe Siècle, Namur 2008, S. 138 und 141–142 hielt mit Blick auf die fehlenden römischen Dokumente einen Rom-Aufenthalt für unwahrscheinlich.
3 Vgl. Weenix‘ „Zeichnende Künstler in Ruinen“ oder Asselijns „Bogen der Silberschmiede“, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. MB 296 und Inv.-Nr. MB 323, Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 104, Abb. F und S. 113, Abb. F. – Auch Gustot konnte die Zeichnung nicht von dem Werk eines anderen Künstlers ableiten.
4 Zu Neyts’ Spanienaufenthalt vgl. Pierre Gustot: Gillis Neyts. Un paysagiste Brabancon en vallé mosane au XVIIe Siècle, Namur 2008, S. 30–31.

Details about this work

Graphit, Pinsel in Grau; Einfassungslinien (Feder in Braun) 243mm x 169mm (Blatt) 45mm x 64mm (Bild) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 39469 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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