Raffael (Kopist), Zeichner

David erschlägt Goliath

Von 1516 bis 1519 entstand in den Loggien des Vatikans eine umfangreiche Freskenfolge mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Nach intensiver und wechselvoller Diskussion wird heute wieder Raffael als entscheidender Urheber der Entwürfe angesehen.(Anm.1) Aufgrund der großen Eindringlichkeit und Popularität der Szenen entstanden danach zahlreiche Zeichnungen und Druckgraphiken.
Die Hamburger Zeichnung mit der Darstellung „David erschlägt Goliath“ lässt sich mit der entsprechenden Szene im XI. Abschnitt der Loggien in Verbindung bringen. Allerdings bestehen zu viele Unterschiede, als dass hier ein unmittelbarer Zusammenhang erstellt werden könnte.(Anm.2)
Aus diesem Grund wurde die Hamburger Zeichnung schon seit langer Zeit mit einem wohl noch zu Lebzeiten Raffaels entstandenen Chiaroscuro-Holzschnitt Ugo da Carpis in Verbindung gebracht. Dieser gibt Raffaels Loggien-Komposition in einer detailreicheren und in Einzelheiten veränderten Anordnung wieder.(Anm.3) Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung und der seitenverkehrten Wiedergabe im Holzschnitt nahm man sogar an, dass das Hamburger Blatt die direkte Vorlage dafür darstellt. Ein genauer Vergleich zeigt jedoch, dass bei allen Ähnlichkeiten auch deutliche Unterschiede zwischen Zeichnung und Druck bestehen. So ist auf der Zeichnung einer der Krieger im Hintergrund ohne Schwert dargestellt. In vielen Fällen sind die Details – etwa Arme und Köpfe – in der Zeichnung deutlich gröber wiedergegeben. Aufgrund dieser Beobachtung kann davon ausgegangen werden, dass das Hamburger Blatt keineswegs die direkte Vorlage zum Holzschnitt darstellen kann. So dürfte Ugo da Carpi als Urheber ausscheiden. Hinzu kommt, dass bereits Vasari überliefert, dass der Entwurf für da Carpis Holzschnitt auf Raffael zurückgehe.(Anm.4) Die Hamburger Zeichnung kann aber aus stilistischen Gründen keineswegs von diesem selbst stammen. Vielmehr dürfte sie, wie Gnann betonte, eine Kopie nach einer heute verlorenen, wahrscheinlich lavierten und weiß gehöhten Entwurfszeichnung Raffaels darstellen.(Anm.5) Dies würde auch die oben beschriebene Vergröberung der Details erklären. Eine genauere Datierung und Bestimmung der Herkunft der Hamburger Zeichnung ist schwierig. Achim Gnann hält eine Entstehung im 17. Jahrhundert für denkbar.(Anm.6)

David Klemm

1 Vgl. hierzu Raphael und der klassische Stil in Rom 1515-1527, hrsg. v. Konrad Oberhuber, bearb. v. Achim Gnann, Ausst.-Kat. Mantua, Palazzo Te, Wien, Graphische Sammlung Albertina, Mailand 1999, S. 156ff.
2 So hat Goliath keinen Schild, der Fliehende im Vordergrund berührt nur mit einem Bein den Boden, der Hintergrund ist ganz unterschiedlich angelegt. Vgl. auch Raphael und der klassische Stil in Rom 1515-1527, hrsg. v. Konrad Oberhuber, bearb. v. Achim Gnann, Ausst.-Kat. Mantua, Palazzo Te, Wien, Graphische Sammlung Albertina, Mailand 1999, S. 169.
3 The Illustrated Bartsch 48 (12), 8 (26).
4 Vgl. das Zitat ebd.
5 Ebd.
6 Anlässlich des Symposiums "Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800" am 27. und 28.10.2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle. Marc Antonio Raimondis Version der Szene dürfte nach Ugo da Carpis Vorlage entstanden sein. Vgl. hierzu die überzeugenden Argumente von Gnann in Ausst.-Kat. Mantua 1997, S. 170. Die von Shoemaker für möglich gehaltene Annahme, dass das Hamburger Blatt nach dem Stich entstand, ist wenig überzeugend. Dagegen sprechen Detailunterschiede und vor allem die im Gegensatz zur Zeichnung viel detailliertere Anlage des Strichs.

Details about this work

Feder in Braun, braun laviert; aufgezogen 250mm x 375mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 38654 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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