Luca Cambiaso (Umkreis)

Auferstehung Christi

Luca Cambiaso hat sich wiederholt mit dem Thema der „Auferstehung Christi“ befaßt. Dies belegen mehrere kompositorisch ähnliche Gemälde, u. a. in der Kirche SS. Giacomo e Filippo in Taggia Alta (1547), S. Bartolomeo degli Armeni in Genua (1559) und S. Giovanni Battista in Montalto Ligure (1563), sowie einige Zeichnungen.(Ann.1) Das bislang nicht beachtete Hamburger Blatt stimmt in einigen wichtigen Punkten mit dem frühen Gemälde in Taggia überein. Dies betrifft vor allem die Figur Christi: die Körperhaltung, die Gewandung sowie die Stellung oberhalb des Grabes. Von den aufgeschreckten Wächtern weist allerdings nur der links am Boden kauernde eine gewisse Ähnlichkeit mit dem später ausgeführten Bild auf. Vielleicht hat Cambiaso das Blatt für die spätere Fassung des Themas in Montalto gezeichnet, da dort die Christusfigur ähnlich ist und vor allem die Hektik der aufgeschreckten Wächter der zeichnerischen Lösung näher kommt.
Eine nahezu identische Version des Hamburger Blattes befindet sich in Maidstone.(Anm.2) Dies geht hin bis zu einzelnen Häkchen bei der Rückenfigur links unterhalb von Christus. Nach dem photographischen Vergleich zu urteilen, erscheint die Maidstone-Zeichnung etwas straffer, die Lavierungen sind insgesamt klüger, d. h. die Volumina besser betonend, gesetzt. Mit Vorsicht kann daraus gefolgert werden, dass das Hamburger Blatt eine Kopie nach dem Maidstone-Blatt darstellt.
Unabhängig davon weisen beide Blätter typische Charakteristika der Zeichentechnik Cambiasos auf: die weitgehende Beschränkung auf Kontur, die Verwendung von strukturierenden kürzelhaften Häkchen und die dynamische Komposition. Eine Zuschreibung an den Künstler ist daher denkbar. Eine Entstehung wäre bereits im Zusammenhang mit der frühesten nachweisbaren Fassung des Auferstehungsthemas, d. h. mit dem Gemälde in Taggia, in den späten 1540er Jahren anzunehmen.
Cambiaso hat die Auferstehungsszene mit mehreren Detailstudien vorbereitet. Zwei Zeichnungen in Florenz (Anm.3) und Chicago (Anm.4) mit Christus-Darstellungen kommen der Hamburger Lösung nahe.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Gesamteindruck der Hamburger Zeichnung im Vergleich zu anderen anerkannten Blättern des Künstlers trotz unstreitbarer Qualität nicht gleichrangig ist. So wirkt z. B. eine in Stockholm bewahrte Detailstudie zum Christus in der Strichführung entschiedener und in der Modellierung durch die Lavierung überzeugender.(Anm.5) Ungleich virtuoser als das Hamburger Blatt erscheint auch eine Studie für die Auferstehung in Montalto, die in Genua bewahrt wird.(Anm.6) Der unterschiedliche Grad von freier und schon etwas festerer Komposition hängt aber letztlich auch von der Funktion der jeweiligen Zeichnungen im Ideenprozeß des Künstlers ab.
Die Hamburger Zeichnung wurde früher Francisco Ribalta (1565–1626) zugeschrieben, was jedoch angesichts des Zeichenstils unwahrscheinlich ist. Sehr wohl denkbar ist aber ein spanischer Zeichner unter starkem Einfluss des zeitweilig in Spanien tätigen Cambiaso. Hierfür spricht auch die spanische Provenienz der Zeichnung.
Das Phänomen der Wiederholung von Cambiaso-Zeichnungen ist relativ häufig nachweisbar. Es trifft allein für die Hamburger Sammlung auf mehrere Blätter zu (vgl. Inv.-Nrn. 52200, 21106a). Dies könnte zum einen ein Indiz für eine umfangreiche Werkstatt und die damit verbundenen Übungen sein, zum anderen deutet es auf ein nachhaltiges Interesse an Cambiasos ungewöhnlichen, und unverwechselbaren Erfindungen hin. Mit steigender Popularität wurden seine Werke sicher schon zu Lebzeiten nicht nur in der von ihm kontrollierten Werkstatt nachgeahmt. Vor diesem Hintergrund ist eine abschließende Beurteilung der Hamburger Zeichnung schwierig. Letztlich bleibt im Zusammenhang mit Cambiaso die genaue Untersuchung und differenzierte Wahrnehmung von Original, eigenhändiger Wiederholung, Kopie, Nachahmung und Fälschung besonders wünschenswert. Diese Aufgabe erscheint aber angesichts der weltweit nachweisbaren Fülle an erhaltenen „Cambiaso-Zeichnungen“ nur mit großem Aufwand lösbar.

David Klemm

1 Bertina Suida Manning, William Suida: Luca Cambiaso. La vita e le opere, Mailand 1958, o. S., Taf. LXIV, Abb. 104. Auf dem Gemälde in Genua, S. Bartolomeo degli Armeni, vgl. Bertina Suida Manning, William Suida: Luca Cambiaso. La vita e le opere, Mailand 1958, o. S., Taf. LII, Abb. 81, ist der Sarkophag und damit die ganze Szene von der Seite gesehen.
2 Maidstone, Kent County Council, Kent Master Collection, Inv.-Nr. F 3644/14 (4), CG 14941. Das Blatt ist im oberen linken Bereich beschnitten worden.
3 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 851 E mit etwas anderer Lavierung, aber im Gestus ähnlich; allerdings ist der Kopf etwas stärker zur Seite geneigt. Vgl. SBertina Suida Manning, William Suida: Luca Cambiaso. La vita e le opere, Mailand 1958, S. 183–184, Taf. LIV, Abb. 85.
4 The Art Institute of Chicago, Leonora Hall Gurley Memorial Collection, 1922, S. 689; vgl.Suzanne Folds McCullagh, Laura M. Giles: Italian Drawings before 1600 in the Art Institute of Chicago, Chicago 1997, S. 52, Nr. 58. Eine weit abstraktere Darstellung der „Auferstehung“ befindet sich in Dijon, Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. DG 563; vgl. Collections du Musée des Beaux-Arts de Dijon. Catalogue des dessins italiens, bearb. v. Marguerite Guillaume, Ausst.-Kat. Musée des Beaux-Arts de Dijon, Dijon 2004, S. 53, Nr. 66. Dort weist Christus eine andere Haltung auf; zudem hält er eine Fahne in der Rechten.
5 Stockholm, Nationalmuseum, Inv.-Nr. NM 1566/1863, Per Bjurström: Italian Drawings. Venice, Brescia, Parma, Milan, Genoa. Drawings in Swedish Public Collections 3, Stockholm 1979, o. S., Nr. 311. Weitere Fassungen befinden sich in Modena, Florenz, Madrid, Udine.
6 Genua, Gabinetto Disegni e Stampe di Palazzo Rosso, Inv.-Nr. 1875.

Details about this work

Feder in Braun über schwarzem Stift, braun laviert; aufgezogen 343mm x 188mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 38650 Collection: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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