Philipp Otto Runge

Achill und Skamandros (Studie zur Weimarar Preisaufgabe), 1801

Die beiden Blätter gingen der Fassung unmittelbar voraus, die Runge schließlich nach Weimar sandte (vgl. Inv. Nr. 34331). Inv. Nr. 34229 entspricht weitgehend Inv. Nr. 34227, allerdings um 180 Grad gedreht, so dass nun Achill von vorne und Skamandros von hinten gegeben sind. Dies führte zu einer insgesamt geschlosseneren Komposition, in der Runge das Motiv des defensiven, sich mit dem Schild gegen Skamandros stellenden Achill auf Inv. Nr. 34227 in eine offensive, triumphierende Pose verwandelte. Diese Geste wird durch die Reduzierung des Baumes, an dem sich Achill ursprünglich festhielt, zu einem liegenden Stamm ermöglicht; die nun freie Hand trägt den Speer in Angriffshaltung. Da Runge bis dahin „nur immer den Helden von hinten“ hatte (Anm. 1), muss die Zeichnung nach dem 7. August entstanden sein.
Inv. Nr. 34299 hat als Federzeichnung den Charakter eines ersten Entwurfs bewahrt, der dazu diente, die Komposition festzulegen; Fragen der Plastizität treten zurück, auf die Runge auf der Versoseite zurückkommt, auf der er den Lanzen schleudernden Achill als Akt erprobt. Auf Inv. Nr. 34230 verdichtete Runge im Sinne einer pyramidalen Anordnung die Komposition weiter; er zieht die Figuren nicht nur dichter zusammen – Skamandros‘ Oberkörper überschneidet jetzt Achills Schild, auch scheint Achill jetzt auf einem Erschlagenen zu knien -, so dass eine entschiedenere Dreieckskomposition entsteht; auch sind die Gestalten insgesamt kräftiger, fast wuchtiger in ihrer plastischen, michelangelesken Körperlichkeit, die durch die Binnenzeichnung und das Spiel von Licht und Schatten herausgearbeitet wird. Die Figur des Skamandros dürfte dabei nicht nur von Asmus Jakob Carstens‘ „Kampf Achills mit den Flüssen“ (Anm. 2) aus dem Jahre 1793 angeregt worden sein, wie Berefelt mutmaßt (Anm. 3), sondern ist auch von der skulpturalen Körperlichkeit der Figuren von Runges Lehrer Abilgaard beeinflusst.
Am 27. September 1801 hatte Runge gegenüber seinem Bruder angekündigt, dass Waagen zwei Zeichnungen zum Achilleskampf mitbringen werde: „[…] die eine auf blau Papier ist nur eine vorhergehende Idee [vgl. Inv. Nr. 34224], nach der andern habe ich sie aber durchgezeichnet, doch sind noch verschiedene Aenderungen vorgefallen.“ (Anm. 4) Traeger hatte angenommen, sowohl Inv. Nr. 34229 als auch Inv. Nr. 34230 könne sich auf das Zitat beziehen, doch kann nur Inv. Nr. 34230 als Vorlage für eine Durchzeichnung gedient haben, nach der aufgrund der Übereinstimmung in den Maßen und der Komposition Inv. Nr. 34231 entstanden sein muss.

Peter Prange

1 Brief vom 7. August 1801 an Daniel, vgl. HS II, S. 79.
2 Asmus Jakob Carstens, Achill Kampf mit den Flüssen, schwarze Kreide, weiß gehöht, 800 x 790 mm, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlung, Inv. Nr. KK 562, vgl. Asmus Jakob Carstens. Goethes Erwerbungen für Weimar, Ausst.-Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig, Neumünster 1992, S. 218, Nr. 98, Abb. S. 146.
3 Berefelt 1961, S. 233.
4 Brief vom 27. September an Daniel, vgl. HS II, S. 86.

Details about this work

Feder in Grau über Bleistift 459mm x 628mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34229 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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