Philipp Otto Runge

Niltal-Landschaft (Studie zum Gemälde "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten"), 1805

Daniel erwähnt neben Inv. Nr. 34152 und 34258 sowie den beiden Detailstudien Inv. Nr. 34153 und 34154 noch „in Tusch eine Zeichnung von dem Nilthal im Hintergrunde“ (Anm. 1), die Runge 1808 auch an Goethe schickte (Anm. 2). Die Landschaft erweckt trotz ihrer orientalischen Architektur mit Pyramiden, Sarkophagen und Obelisken den Eindruck einer nordischen Landschaft und stimmt darin weitgehend mit Inv. Nr. 34258 und dem ausgeführten Gemälde (Anm. 3) überein. Deshalb hat Traeger vermutet, die Landschaft mittels der Quadrierung von diesem Blatt auf das Gemälde übertragen worden. Tatsächlich scheint die weitgehend auf die Landschaft in der Mitte beschränkte Quadrierung für eine solche Vermutung zu sprechen, doch zeigen geringfügige Unterschiede zwischen Zeichnung und Gemälde, dass für dieses die Landschaft von Inv. Nr. 34258 die Vorlage bildete. Traegers Frage, „ob das Blatt ein erster Entwurf zum Gemälde oder eine Rückübersetzung war“ (Anm. 4), hat Hohl im Sinne des zweiten beantwortet, die das Blatt für „geklärter und reifer“ als die anderen Entwürfe hielt (Anm. 5). Das Blatt ist auch kaum als Studie bzw. Entwurf zu bezeichnen; vielmehr handelt es sich um eine vollkommen durchgeführte Komposition, in der die Naturformationen die Funktion der heiligen Figuren übernehmen; so meint man in der hervortretenden Baumwurzel der absterbenden Eiche links den linken Arm Josephs wiederzuerkennen (Anm. 6). Von Simson hat in diesem Zusammenhang auf ein nahezu gleichzeitiges Gedicht von Adam Gottlieb Öhlenschläger verwiesen, in dem Joseph während der Ruhe auf der Flucht als knorriger Baumstamm erscheint, um den sich das Jesuskind als Weinranke windet (Anm. 7).
Das Blatt hat Runge 1808 zusammen mit Inv. Nr. 34152 an Goethe geschickt; die reifere, auch sicherere Zeichenweise gegenüber diesem Blatt und den anderen Entwürfen zur „Ruhe auf der Flucht“ wirft die Frage nach seiner Entstehungszeit auf. Bisher ist das Blatt immer dem Entwurfsprozess zur „Ruhe auf der Flucht“ zugeordnet worden, doch muss man sich aufgrund der für Runge ungewöhnlich luftigen, auch atmosphärischen Zeichenweise fragen, ob es sich nicht um einen Rückgriff handeln könnte, der erst aus Anlass der Übersendung von Zeichnungen an Goethe entstanden ist.

Peter Prange

1 Vgl. HS I, S. 248.
2 Runge fügte dem Brief an Goethe vom 19. April 1808 „ein Studium zum Hintergrund bei“, vgl. Maltzahn 1940, S. 87.
3 Die Ruhe auf der Flucht, Öl/Lw, 96,5 x 129,5 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1004, vgl. Traeger 1975, S. 386, Nr. 322, Abb.
4 Traeger 1975, S. 95.
5 Hohl, in: Runge 1977, S. 177.
6 Hohl, in: Runge 1977, S. 177.
7 Simson 1942, S. 337.

Details about this work

Pinsel in Grau über Bleistift 398mm x 503mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34155 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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