Philipp Otto Runge

Am Boden sitzender Joseph (Studie zum Gemälde "Die Flucht nach Ägypten"), 1805

Ähnlich wie die Handhaltung Mariens hat Runge die Gestalt Josephs und seine Position im Bildgefüge beschäftigt. Zunächst in dem ersten skizzenhaften Kompositionsentwurf am linken Bildrand stehend, hat ihn Runge auf dem Carl Schildener zugesandten Blatt (Inv. Nr. 34152) am linken Rand sitzend im Typus des Melancholikus dargestellt, doch entsprach die Figur bereits zu diesem Zeitpunkt nicht seinen Vorstellungen: „Joseph ist in dieser Zeichnung noch am wenigsten, was er seyn soll“, schrieb Runge an Schildener (Anm. 1). Josephs Haltung ist wiederholt Gegenstand seiner Erkundungen gewesen, so befinden auf der Rückseite von Inv. Nr. 34153 sich Studien zu Josephs Beinhaltung. Die intensive Beschäftigung mit der Figur Josephs vermerkte auch Daniel, der eine „schöne Kreidezeichnung auf braun Papier von dem ruhenden Joseph“ erwähnt (Anm. 2). Sie ist mit Inv. Nr. 34154 identisch, auf der Runge die Gestalt Josephs endgültig festlegt, die er mit geringfügigen Änderungen – so ruht beispielsweise der Stab noch nicht auf seinem Knie - in die quadrierte Federzeichnung übernahm (Inv. Nr. 34258). Das detailliert auf braunem Tonpapier ausgearbeitete Blatt diente dazu, sich vor allem über Lichtwirkung, Stofflichkeit und Plastizität der Figur zu versichern; dass Runge dabei auf die alte, auf die Kopenhagener Akademiezeit zurückgehende Technik der Kreidezeichnung auf Tonpapier zurückgriff, belegt, welchen Stellenwert Runge der Figurenstudie beimaß (Anm. 3). Die Studie zur Josephsfigur, deren Haltungsmotiv schon in Inv. Nr. 34247 anklang, ist die einzige derart detailliert ausgeführte Figurenstudie zur „Ruhe auf der Flucht“, doch ist nicht auszuschließen, dass ähnliche Studien ehemals auch für Maria und das Jesuskind existierten.

Peter Prange

1 Brief vom 10. Mai 1805 an Carl Schildener, vgl. HS I, S. 247-248.
2 Vgl. HS I, S. 248.
3 Berefelt 1961, S. 162, führt den Typus der Josephsfigur auch motivisch auf die Akademiezeit zurück und verweist auf die Verwandtschaft im Sitzmotiv zwischen Joseph und dem Silen in Domenico Cunegos Kupferstich nach Annibale Carraccis Gemälde „Bacchus und Silen“, doch sind die Übereinstimmungen nur sehr allgemeiner Natur. Der Typus der Gestalt Josephs steht in der Tradition der Hirtenidylle des 17. Jahrhunderts.

Details about this work

Schwarze Kreide auf graubraunem Papier 420mm x 460mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34154 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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