Philipp Otto Runge

Das Jesuskind, 1805/6

Am 10. Mai 1805 schickte Runge an Schildener neben den beiden Zeichnungen „Quelle und Dichter“ (vgl. Inv. Nr. 34257) und „Ruhe auf der Flucht“ (Inv. Nr. 34152) noch „eine Federzeichnung von dem Kinde […], wie es werden soll.“ (Anm. 1) Es ist kein Zweifel, dass es sich bei der erwähnten Zeichnung um Inv. Nr. 34153 handelt, wo das Jesuskind im Gegensatz zu den anderen Entwürfen zur „Ruhe auf der Flucht“ mit der Rechten ein Büschel Blumen umgreift.
Die Haltung des Kindes mit erhobener Hand entspricht derjenigen auf Inv. Nr. 1938-1 verso, doch variiert sie Runge etwas, indem er das Kind zum Betrachter dreht, so dass der Oberkörper des Kindes frontal sichtbar ist. Traeger hat für das Motiv des die Arme ausstreckenden, liegenden Kindes auf Charles Paul Landons Stich des Jesuskindes nach Domenichino hingewiesen (Anm. 2), den Landon 1803 in seinem dreibändigen Stichwerk nach Werken Domenichinos veröffentlicht hatte (Anm. 3). Tatsächlich lässt Runges frühere Beschäftigung mit Domenichino in Dresden an eine Beeinflussung denken, doch hat Klemm insbesondere für die Drehung des Kindes zum Betrachter und den nach oben gerichteten Kopf auf Jan de Bisschop Radierung nach einer heute nicht mehr nachweisbaren Vorlage Giorgio Vasaris verwiesen (Anm. 4).
Die im Laufe des Arbeitsprozesses einem ständigen Wandel bzw. einer Variation unterworfene Stellung des Jesuskindes lässt es aber fraglich erscheinen, ob Runge wirklich auf ein konkretes Vorbild Bezug nimmt, auch weil die Darstellung des Kindes zentrales Anliegen in seinem Werk ist und er schon früh zu ähnlichen Lösungen kam, die in anderem Zusammenhang standen. Eine von Daniel 1797 datierte Zeichnung eines Jesusknaben zeigt eine ähnliche Haltung des Kindes (Anm. 5), auch zwei weitere Zeichnungen auf den Rückseiten zweier Blätter kommen zu ähnlichen Ergebnissen (Anm. 6), die möglicherweise bereits im Zusammenhang mit der „Ruhe auf der Flucht“ entstanden sind.

Peter Prange

1 Brief vom 10. Mai 1805 an Carl Schildener, vgl. HS I, S. 248.
2 Traeger 1975, S. 61, und S. 162, Abb. 16.
3 Charles Paul Landon: Vie et Œuvre complète de Dominique Zampieri, dit Le Dominiquin, 3 Bde, Paris 1803-1805.
4 Klemm 2013, S. 266, Abb. 11.
5 Liegendes Jesuskind, Bleistift, Feder in Braun, 124 x 181 mm, Verbleib unbekannt, vgl. Traeger 1975, S. 241, Nr. 10, Abb.
6 Vgl. Inv. Nr. 34261 verso, und Unterkörper eines Kleinkindes, Bleistift, 201 x 250 mm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, SZ 4 verso, vgl. Traeger 1975, S. 364, Nr. 292, Abb.

Details about this work

Feder in Schwarz über Bleistift 213mm x 279mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 34153 Collection: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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