August Hoffmann, Stecher
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
C. Schulgen-Bettendorff (Schwan & Steifensand.), Drucker

Madonna mit Christusknaben und Hieronymus und Franziskus / "MADONNA.", um 1876 (Erstdruck 1862)

Hoffmanns Kupferstich gibt Raffaels Madonna mit Christusknaben, Hieronymus und Franziskus wieder, entstanden um 1502 und damit ins Frühwerk des Urbinaten zu datieren. Die Forschung weist darauf hin, dass die Komposition der von Heiligen flankierten Madonna als Halbfigur außergewöhnlich im Gesamtwerk Raffaels ist – möglicherweise geht dieser in Venedig und Siena beliebte Kompositionstypus auf Arbeiten Peruginos zurück. Dafür spricht unter anderem, dass Raffael sich in jener Zeit in Perugia aufhielt und vertraut mit dessen Werk war; eine erhaltene Vorzeichnung mit dem Haupt des Hieronymus lässt ebenfalls Einflüsse Peruginos erkennen. (Anm. 1)
Im Jahr 1829 wurde das Gemälde für das Königliche Museum in Berlin angekauft – im selben Jahr der Gründung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen (später Westfalen) in Düsseldorf, der das vorliegende Blatt 1876 als Jahresgabe für seine Mitglieder ausgeben sollte. August Hoffmann, Absolvent der Kunstakademie Düsseldorf, fertigte noch diverse weitere Stiche für den Kunstverein an. Dass die Auswahl für die Jahresgabe ausgerechnet auf ein ansonsten recht selten reproduziertes, frühes Gemälde Raffaels fiel, überrascht angesichts des Standortes und des künstlerischen Umfeldes Hoffmanns kaum. So waren die Akademie und die aus ihr hervorgehende Düsseldorfer Malerschule von den nazarenischen
Kunstauffassungen ihrer Leiter Peter von Cornelius sowie später Wilhelm Schadow geprägt. Beide schätzten besonders die italienische Kunst der Zeit vor Raffael und seine frühen Arbeiten – vor allem aus dem Streben heraus, „wie die Kindlein“ und damit ‚unverfälscht‘ zu malen. (Anm. 2) Darüber hinaus wurde 1841 der Verein zur Verbreitung religiöser Bilder zu Düsseldorf gegründet, für den die Schüler Joseph von Kellers – zu denen auch Hoffmann zählte – „Gegenstände nach älteren Gemälden berühmter Meister, oder den Werken lebender tüchtiger Künstler“ (Anm. 3) stachen. Diese wurden anschließend ebenso wie die vorliegende Jahresgabe bei Schulgen-Bettendorf in Düsseldorf gedruckt. Erklärtes Ziel des Vereins war es, durch in hoher Qualität ausgeführte Graphiken das Publikum mit historischen und zeitgenössischen religiösen Gemälden vertraut zu machen und zugleich seinen Geschmack zu schulen. Joseph von Keller, der seine Schüler hierfür anleitete (Anm. 4) und zu dem Hoffmann engen Kontakt pflegte, erlangte selbst durch seine großformatigen Kupferstiche nach Raffael Berühmtheit – genannt sei die im Auftrag des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen in zwölfjähriger Arbeit entstandene Reproduktion nach der Disputa (Inv.-Nr. 26557), oder der ebenfalls bei Schulgen-Bettendorff gedruckte Stich nach der Heiligen Dreifaltigkeit von 1846. Hoffmann lebte und arbeitete nach 1838 selbst in Berlin und kannte das Gemälde sicher im Original. (Anm. 5) In seiner überaus feinen Ausdifferenzierung und der dadurch entstehenden fast malerischen Wirkung kommt das Blatt dem Gemälde, das seinerseits eine gewisse Härte im Duktus aufweist, erstaunlich nahe.
Der Kupferstich erschien offenbar zunächst 1862 für den Kunstmarkt. 6 Er wurde dann 1876 – also bereits nach dem Tod des Künstlers – als Jahresgabe des Kunstvereins nochmals gedruckt. Die auf dem Kunstvereins-Blatt erkennbare Beschädigung der Platte muss zwischen diesen beiden Editionen entstanden sein.
Klara Wagner und David Klemm


LIT (Auswahl): Apell 1880, S. 200, Nr. 4; Horn 1931, S. 79, Nr. 24

1 Um 1592, Öl auf Pappelholz, 35,3 x 29,8 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Meyer zur Capellen 2001, S. 115–117, Nr. 5; Ausst.-Kat. Berlin2020, S. 32, Nr. 3, Abb. S. 33.
2 Ausst.-Kat. Göttingen/Rom 2015, S. 154, Nr. 12 (Beitrag Michael Thimann).
3 „Hier in Düsseldorf, wo neben so bedeutenden Künstlern, eine ausgezeichnete Schule für Kupferstecher und eine vortreffliche Kupferdruckerei besteht (erstere unter Leitung des rühmlichst bekannten Prof. Keller, letztere von Schulgen-Bettendorff) also alle Erfordernisse zur Schaffung ganz guter Heiligenbilder vorhanden sind, liess sich mit der besten Aussicht auf einen günstigen Erfolg ein derartiges Unternehmen beginnen.“; Baudri 1851, S. 27.
4 „Bei der Auswahl der für den Stich zu bestimmenden Gegenstände nach älteren Gemälden berühmter Meister, oder den Werken lebender tüchtiger Künstler geht der Vorstand mit der grössten Umsicht zu Werke. Es werden dieselben unter der sorgfältigsten Aufsicht und Leitung des Prof. Keller von talentvollen jungen Kupferstechern in Stahl gestochen.“; Baudri 1851, S. 27–28.
5 Zur ausführlichen Darstellung von Hoffmanns Biografie und seinem künstlerischen Werdegang siehe Wiegmann 1856, S. 413–414.
6 Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 50021; Apell 1880, S. 200, Nr. 4.

Details about this work

Kupferstich, Nadelschrift 356mm x 284mm (Bild) 500mm x 398mm (Platte) 784mm x 550mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 26528 Collection: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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