Karel Dujardin, zugeschrieben
Sébastien Bourdon, ehemals zugeschrieben

Bildnis eines Malers (Sébastien Bourdon?), um 1650

Aus stilistischen Gründen ist die alte Zuschreibung an Sébastien Bourdon (1616–1671) nicht haltbar. Darauf verwies Gisela Hopp und erwog zu Recht eine Zuordnung zur holländischen Schule des 17. Jahrhunderts.(Anm.1) Die wohl vom Zeichner selbst stammende Beischrift „S. Bourdon“ verweist nicht zwingend auf den Urheber des Blattes, sondern ließe sich ebensogut auf den Dargestellten beziehen. Dies um so mehr, als physiognomische Ähnlichkeiten mit gesicherten Bildnissen des französischen Künstlers eine Deutung des vorliegenden Blattes als Porträt Sebastién Bourdons grundsätzlich stützen.(Anm.2)
Auf unserer Zeichnung scheint der Dargestellte noch recht jung zu sein, sicher nicht älter als 35 Jahre. Bei einer Identifikation mit dem um 1616 geborenen Bourdon wäre daraus eine Datierung zwischen 1636 und ca. 1650 abzuleiten. In dieser Zeit lebte Bourdon für zwei Jahre in Rom (1636–37) und anschließend wieder in Paris (1638–52). In beiden Städten könnte er zahlreiche Niederländer getroffen haben, beispielsweise Andries Both und Jan Asselijn, Karel Dujardin, Lambert Doomer und Willem Schellinks: vorwiegend Landschaftsmaler, mit Ausnahme des auch im Porträtfach tätigen Dujardin, der 1650 in Paris nachgewiesen ist.(Anm.3) Der größere Anteil seiner Porträts stammt aus den mittleren 1650er und 1660er Jahren, doch gibt es auch ausgereifte Bildniszeichnungen aus den Jahren davor, wie z. B. eine um 1650 angesetzte, sicher in Paris entstandene Zeichnung auf Pergament.(Anm.4) Wie der ehemalige „Bambocciant“ Bourdon folgte auch Dujardin der italianisierenden Stilrichtung. Ein persönlicher Kontakt zwischen beiden Künstlern wird nicht nur durch den gemeinsamen Themenschwerpunkt nahe gelegt, sondern auch durch die enge stilistische Orientierung an Werken des zehn Jahre älteren Bourdon, wie sie um 1650 im gemalten Œuvre Dujardins zu beobachten ist.(Anm.5)
Die zunächst vielleicht etwas gewagt anmutende Zuschreibung dieses Blattes an Karel Dujardin findet Bestätigung durch die auffallende Nähe zu Figurenstudien des Künstlers. Mit einer vor 1664 entstandenen Figurenstudie in Leiden verbindet die plastische Wiedergabe der Gewandfalten, ebenso wie die eckig umrissenen Schuhe und die stellenweise geradlinig eingestreuten Akzente (auf unserem Blatt im Bereich der Ärmel und Beinkleider).(Anm.6) In der ausgesprochen lichthaltigen Modellierung der Stoffe, den plastisch modellierten Händen und dem locker schraffierte Hintergrund kommen unserem Blatt zudem einige Rötelzeichnungen außerordentlich nahe, die vermutlich in den späten 1650er Jahren anzusetzen sind.(Anm.7) Letztlich sind unserem Blatt auch drei Zeichnungen nach einem jungen männlichen Modell vergleichbar mit Blick auf die sichere Konturenführung, das summarisch und strähnig erfasste Haar und die plastische Modellierung.(Anm.8) Die markant akzentuierten Gesichtszüge lassen sich zudem vergleichen mit einem Dujardin zugeschriebenen „Jünglingsporträt“ der Pierpont Morgan Library.(Anm.9)

Annemarie Stefes

1 Mündliche Mitteilung, Januar 2008.
2 Die auffallend große Nase und das fliehende Kinn kennzeichnen auch die von Hyacinthe Rigaud (1659–1743) angefertigte Porträtzeichnung in Frankfurt am Main, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 1067, die 1733 von Laurent Cars (1699–1771) reproduziert wurde, oder das „Selbstbildnis“ in Versailles, Musée national du Chateau, Inv.-Nr. 5804, Jacques Thuillier: Sébastien Bourdon 1616-1671. Catalogue critique et chronologique de l’œuvre complet, Paris 2000, Nr. 192; vgl. auch Bourdons Selbstbildnis am rechten Rand eines Altarbildes in Montpellier, Kathedrale Saint-Pierre, ebd. Nr. 228.
3 Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, S. 4; Kilian 2001, S. 422.
4 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 6697, Gruijs 2003, Nr. I-7. Dieses Blatt trägt auf dem Verso die Beischrift „Dv Marat [oder Moret/Maret] / tres Excellent poeet et pictor“, ein mutmaßlicher Hinweis auf die Identität des Dargestellten, bei dem es sich ebenfalls um einen befreundeten Künstler handeln kann. Vgl. Jennifer M. Kilian: The Paintings of Karel Du Jardin 1626-1678, Amsterdam u. New York 2005, S. 43.
5 Dujardins „Fahrende Sänger“, London, Wallace Collection, Inv.-Nr. 641, Jennifer M. Kilian: The Paintings of Karel Du Jardin 1626-1678, Amsterdam u. New York 2005, Nr. 5 oder die „Morraspieler“ in West Palm Beach, Norton Museum of Art, Inv.-Nr. 53.52, ebd. Nr. 7, kommen Bourdons „Kartenspielern“, 1643, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 471, Jacques Thuillier: Sébastien Bourdon 1616-1671. Catalogue critique et chronologique de l’œuvre complet, Paris 2000, Nr. 52 sehr nahe; ebenfalls verwandt sind dessen „Römische Herberge“, Montpellier, Musée Fabre, Inv.-Nr. 836.4.5, ebd. Nr. 50 oder der „Haltmachende Soldat“, Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures, Inv.-Nr. 2818, ebd. Nr. 51; vgl. auch Jennifer M. Kilian: The Paintings of Karel Du Jardin 1626-1678, Amsterdam u. New York 2005, S. 78. – Offensichtlich spielte Dujardins Parisaufenthalt und die Orientierung an Bourdon eine entscheidende Rolle für die Entwicklung seines italianisierenden Stils. Eine in der älteren Literatur vor 1650 angesetzte Italienreise ist im Gegensatz zu Dujardins späterem Aufenthalt in Rom und Venedig (1675–78) nicht dokumentiert; vgl. auch Jennifer M. Kilian: The Paintings of Karel Du Jardin 1626-1678, Amsterdam u. New York 2005, S. 75.
6 Leiden, Prentenkabinet der Universität, Inv.-Nr. PK-P-AW 0254, Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, Nr. II-8.
7 Z. B. das „Selbstbildnis“, 1658, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1836,0811.325, Gruijs 2003, Nr. I-15. Die in den Schrifttypen grundsätzlich unserer Beischrift vergleichbare Signatur ließe sich vielleicht als Hinweis auf Eigenhändigkeit der Beischrift interpretieren, in welchem Falle die Identifizierung des Dargestellten mit Bourdon gesichert wäre.
8 „Sitzender Jüngling“, Cambridge (Mass.), Harvard Art Museum/Fogg Museum, Sammlung Maida und George Abrams, Inv.-Nr. 2009.205, Gruijs Nr. II-3; „Stehender Jüngling“, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/205 , ebd. Nr. II-4; „Stehender Jüngling in Rückansicht“, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Inv.-Nr. kks 9352, ebd. II-7. Vgl. auch den „Betteljungen mit Geige“, Standort unbekannt, ebd. Nr. II-16, Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 39.
9 New York, The Pierpont Morgan Library, Inv.-Nr. III, 227, Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, Nr. III-14; zu der Gruppe der Rötelzeichnungen vgl. Schatborn, in: Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, S. 70; Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, S. 18, 23 und 66; Jennifer M. Kilian: The Paintings of Karel Du Jardin 1626-1678, Amsterdam u. New York 2005, S. 43.

Details about this work

Schwarze und weiße Kreide, stellenweise verwischt, auf bräunlichem Papier 295mm x 197mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 23978 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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