Jan Blom, zugeschrieben, Zeichner
Gerard ter Borch (der Jüngere), ehemals zugeschrieben

Zwei Pagen, um 1655 - 1666

Diese Zeichnung war bislang Gerard ter Borch zugeordnet.(Anm.1) Van Regteren Altena brachte sie versuchsweise mit Adriaen van de Velde oder Paulus Potter in Verbindung.(Anm.2) Deutlich enger sind die von Peter Schatborn beobachteten Bezüge zu Karel Dujardin.(Anm.3) Dies betrifft in erster Linie den ähnlich kostümierten „Stehenden Kavalier“ in Leiden, den Dujardin als Ausgangspunkt für eine Gemäldefigur aus den 1660er Jahren verwendet hatte.(Anm.4) Gleichwohl kann Dujardin nicht der Urheber des Hamburger Blattes gewesen sein: Zu groß sind die Unterschiede zu der Leidener Figurenstudie. Dies betrifft die im Vergleich mit dem anmutigen Kontrapost des Leidener Kavaliers eher hölzern wirkende Haltung der beiden Pagen ebenso wie die etwas sperrige Ausführung mit gleichbleibend breitem Kontur und wenig modulierter Schraffur. Das Leidener Blatt ist schwungvoller gezeichnet und zeigt eine deutlich größere Bandbreite der stilistischen Ausdrucksmittel: Kräftige Konturen und großzügige Schraffen stehen schimmernd abschattierten Partien gegenüber, zart schwingende Linien werden durch kräftige Akzente belebt. In der Wiedergabe der Schuhe werden diese Unterschiede besonders deutlich. Anders als Dujardin neigte der Zeichner des Hamburger Blattes darüber hinaus in besonderer Weise zu Parallelstrukturen, etwa in der Anlage der Stulpen oder im Bereich der schematisch angelegten Fransenbänder. Diese Unterschiede auf abweichende Entstehungszeiten zurückzuführen, ist angesichts der nahezu übereinstimmenden Kostümierung auszuschließen.(Anm.5)
Viel eher handelt es sich hier um das Werk eines Künstlers aus dem Umkreis Dujardins. Vielleicht derselben Hand zuzuordnen ist ein 1943 in New York als „Berchem“ versteigertes Gemälde.(Anm.6) Dort ist links ein junger Hundeführer dargestellt, der in Kleidung, Haartracht und Haltung so eng mit der rechten Figur der Hamburger Skizze übereinstimmt, dass eine unmittelbare funktionale Verbindung anzunehmen ist.
Vergleichbare Typen gehörten zu dem festen Figurenrepertoire des wenig bekannten Amsterdamer Italianisanten Jan Blom.(Anm.7) Dieser hatte sich auf südliche Parklandschaften mit Jägerstaffage spezialisiert und legte in der Figurenwiedergabe seinen Fokus ebenfalls auf die „hyperrealistische“ Wiedergabe von Kostüm und modischem Beiwerk.(Anm.8)
Aufgrund enger kompositorischer Verwandtschaft mit signierten Gemälden Bloms sollte dessen Hand auch für das 1943 in New York verauktionierte Gemälde in Betracht gezogen werden – und daran anschließend für die Hamburger Zeichnung.(Anm.9) Blom konnten bislang keine Figurenstudien sicher zugewiesen werden, doch findet seine Vorliebe für schlanke Vertikalstrukturen in der aufrechten Haltung der etwas steif wirkenden Jünglinge durchaus ihr Äquivalent.(Anm.10) Möglicherweise haben Bloms südliche Parkanlagen Karel Dujardin zu verwandten Schöpfungen inspiriert, wie von Renate Trnek mit Blick auf dessen bereits erwähntes Gemälde in Kapstadt vorgeschlagen wurde.(Anm.11) Umgekehrt scheint Blom für ein ihm heute zugeschriebenes Bild auf die Leidener „Studie eines stehenden Kavaliers“ zurückgegriffen haben, womit der von Schatborn beobachtete Zusammenhang zwischen unserer Zeichnung und dieser Studie zumindest indirekt bestätigt wäre.(Anm.12)

Annemarie Stefes

1 Vermutlich aufgrund verwandter Gemäldefiguren wie dem Pagen auf einer Ankleideszene in Detroit (Mich.), The Detroit Institute of Art, Inv.-Nr. 65.10, Arthur K. Wheelock jr., Alison McNeil Kettering, Arie Wallert, Majorie E. Wieseman: Gerard ter Borch, Ausst.-Kat. Washington, National Gallery of Art, Detroit, Detroit Institute of Arts, New Haven und London 2004, Nr. 34, um 1660.
2 Undatierte Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts der Hamburger Kunsthalle.
3 Vorgeschlagen von Peter Schatborn auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
4 Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. PK-P-AW 0254 (schwarze Kreide, weiß gehöht, 355 x 215 mm), Peter Schatborn: Dutch Figure Drawings from the seventeenth century, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 40, Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, Nr. II-8; das Gemälde befindet sich in Kapstadt, Sammlung Michaelis, Inv.-Nr. 14/14, ebd. Abb. 4 bzw. Kilian 2005, Nr. 98; mit eigenhändiger Replik in Breslau, Muzeum Narodowe, Nr. 2286, vgl. ebd. S. 198.
5 Zweifel an der Hand Dujardins für das Hamburger Blatt äußerte auch Marit Gruijs in einer E-Mail vom 8. 5. 2008, allerdings in Unkenntnis des Originals unter Vorbehalt.
6 Aukt.-Kat. New York, Bell, Kende, 12. 3. 1943, Nr. 32. Die alte Zuschreibung an Berchem resultiert offensichtlich aus dem berchemesken Reiterpaar. – Im RKD wurde dieses Bild Willem Schellinks zugeordnet, dessen Autorschaft aufgrund der steifen Figuren wohl eher auszuschließen ist.
7 1654, Privatbesitz, Gianni Carlo Sciolla (Hrsg.): Cielo, terra e acque. Il paesaggio nella pittura fiamminga e olandese tra Cinquecento e Seicento, Ausst.-Kat. Aosta, Museo Archeologico Regionale, Turin 2006, Nr. 85; 1660, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inv.-Nr. 667, Renate Trnek: Die Niederländer in Italien. Italianisante Niederländer des 17. Jahrhunderts aus österreichischem Besitz, Ausst.-Kat. Salzburg, Residenzgalerie, Wien, Akademie der bildenden Künste, Salzburg 1986, Nr. 21; weitere Bilder mit verwandten Staffagefiguren befinden sich an unbekanntem Standort, so das signierte und 1656 datierte Bild ehemals Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, 10. 2. 1965, Nr. 22.
8 Vgl. Trnek, in: Renate Trnek: Die Niederländer in Italien. Italianisante Niederländer des 17. Jahrhunderts aus österreichischem Besitz, Ausst.-Kat. Salzburg, Residenzgalerie, Wien, Akademie der bildenden Künste, Salzburg 1986, S. 66.
9 Die Assoziation des Gemäldes mit Schellinks – vgl. Anm. 6 – ist auf die Hamburger Zeichnung hingegen nicht übertragbar: Seine Figurenstudien sind feiner und weniger plump gearbeitet, vgl. je eine Zeichnung in Paris, École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Inv.-Nr. Mas. 1999 und Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1902-A-4580.
10 Die einzige im RKD dokumentierte Zeichnung Bloms ist eine von alter Hand „Jan blom“ bezeichnete „Parkansicht“ in Pinsel und Feder, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1897-A-3351; in Gattung und Stil ist sie nicht mit unserem Blatt zu vergleichen.
11 Renate Trnek: Die Niederländer in Italien. Italianisante Niederländer des 17. Jahrhunderts aus österreichischem Besitz, Ausst.-Kat. Salzburg, Residenzgalerie, Wien, Akademie der bildenden Künste, Salzburg 1986, S. 68.
12 Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures, Inv.-Nr. 1586, die Zuweisung des bislang Frederick de Moucheron zugeschriebenen Bildes an Blom erfolgte durch Marit Gruijs: De tekeningen van Karel Dujardin (1626-1678), Diss. Univ. Utrecht 2003, S. 60.

Details about this work

Schwarze Kreide; Einfassungslinien (Feder in Braun) 192mm x 137mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22585 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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