Anonym (englisch?)
Anthonis van (auch: Antoon van) Dyck, ehemals zugeschrieben

Bildnis eines Admirals in Uniform

Harzen inventarisierte das Blatt unter dem Namen des Caspar Netscher, jedoch fehlt der stilistische Bezug zu Gemälden und Zeichnungen dieses Künstlers. Ebenfalls auszuschließen ist die alte und bis zuletzt aufrecht erhaltene Zuschreibung an Anton van Dyck. In Veys Werkverzeichnis von 1962 wurde das Blatt zu Recht nicht berücksichtigt. Lediglich in den Grundzügen ist die Präsentation des Dargestellten von Van Dyck’schen Prototypen abzuleiten: So findet sich die links den Ausblick auf Schiffe freigebende Felskulisse ähnlich auf Gemälden wie dem um 1633 anzusetzenden „Bildnis des Robert Rich, 2. Earl of Warwick“ oder dem „Porträt des 10. Earl of Northumberland“.(Anm.1)
Rudolf Oldenbourg sah für das Hamburger Blatt einen Zusammenhang mit Adriaen Hanneman (1603/04–1671), der in den letzten sechs Jahren seines Lon-don-Aufenthaltes (1632–1638) wohl für Van Dyck arbeitete.(Anm.2) Als Zeichner ist Hanneman allerdings nahezu unbekannt; eine von alter Hand mit seinem Namen versehene Porträtzeichnung bietet stilistisch keine Berührungspunkte.(Anm.3) Auch für die theatralisch ausladende Gestik des Dargestellten findet sich in Hannemans Œuvre keine Entsprechung.(Anm.4)
Eher wäre der Autor im Kreis der englischen Van-Dyck-Nachfolger zu suchen, wie kürzlich von Rudi Ekkart vorgeschlagen wurde.(Anm.5) In diese Richtung weist auch die Verso-Notiz, die den Dargestellten gleichsetzt mit dem englischen Seehelden George Monk, 1. Earl of Albemarle (1608–1670). Gesicherten Porträts zufolge, z. B. einem Stich von Richard Gaywood (um 1630/50–1680/1711) oder dem Gemälde Sir Peter Lelys aus der Folge der „Flagmen“, finden sich tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten in der fülligen Wangenpartie oder dem lockigen, in der Mitte gescheiteltem Haar.(Anm.6) Allerdings war das Gesicht des George Monk ungleich fülliger proportioniert, mit breiterem Nasenrücken, kräftigeren Augenbrauen und abwärts gebogenem Schnurrbart.(Anm.7) So kann diese Assoziation mit dem implizierten Hinweis auf Lelys Admiralsporträts lediglich die grundsätzliche Richtung vorgeben für die stilistische Einordnung des Hamburger Blattes.
In der großzügig und schwungvoll zu Papier gebrachten Figur, den zahlreichen Pentimenti und Weißhöhungen, dem als diffuse Masse gegebenen, nur von außen umgrenzten Haar und den flüchtig angedeuteten Gesichtszügen finden sich enge Verwandtschaften zu einer etwas flüchtiger gearbeiteten Zeichnung Sir Gottfried Knellers (1646–1723), der sich 1676 in London niedergelassen hate.(Anm.8) Ohne die Zuordnung eines Gemäldes bleibt dessen mögliche Autorschaft allerdings hypothetisch,(Anm.9) so dass die Zeichnung hier lediglich als Werk eines mutmaßlich englischen Lely-Nachfolgers klassifiziert werden kann.

Annemarie Stefes

1 New York, Metropolitan Museum of Art, The Julius Bache Collection, Inv.-Nr. 49.7.26, Susan J. Barnes, Nora De Poorter, Oliver Millar, Horst Vey: Van Dyck. A complete Catalogue of the paintings, New Haven 2004, Nr. IV.234; Alnwick Castle Museum, Northumberland, ebd. Nr. IV.177.
2 Undatierte Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts der Hamburger Kunsthalle.
3 Düsseldorf, Kunsthandel C. G. Boerner, Neue Lagerliste 48, 1968, Nr. 24, allenfalls vergleichbar in der Verwendung gelblichen Papiers bei vereinzelt eingestreuten weißen Akzenten.
4 Hinweis von Rudi Ekkart, 13. 5. 2009. Dies wird deutlich bei Gegenüberstellung mit Gemälden wie dem um 1649 anzusetzenden „Bildnis eines Offiziers“, Aukt.-Kat. London, Sotheby’s, 15. 7. 1998, Nr. 27.
5 Mündliche Mitteilung vom 13. 5. 2009 auf Grundlage einer Digitalphotographie.
6 Freeman O'Donoghue, Henry M. Hake: Catalogue of Engraved British Portraits preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum, London 1908, Nr. 16 und 17 (1658–1660 bzw. 1660); Greenwich, National Maritime Museum, Inv.-Nr. BHC2508; zu den „Flagmen“ vgl. R. B. Beckett: Lely, London 1951, S. 17, Abb. 92–99.
7 Abzulehnen ist hingegen die von Wim Heyes in der Photokartei des RKD vorgeschlagene Gleichsetzung mit Willem Joseph Baron van Ghent van Drakenburgh (1626–1672). Dieser holländische Admiral hatte ein deutlich schmaleres Gesicht, länger herabfallendes, dünneres Haar und eine größere und leicht gebogene Nase, wie etwa das Porträt des Jan de Baen dokumentiert, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-3126.
8 „Bildnis eines Feldherrn“, 1700/10, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1875,0410.2 (schwarze Kreide, Rötel und Weißhöhungen auf braungrauem Papier, 280 x 191 mm), J. Douglas Stewart: Sir Godfrey Kneller and the English baroque portrait, Oxford 1983, Nr. 10, ehemals zugeschrieben an Peter Lely.
9 Gegen eine Autorschaft Knellers spricht das Kostüm des Dargestellten mit dem für die Zeit um 1660 charakteristischen breiten Kragen – es sei denn, man würde das Blatt als Kopie nach einem älteren Werk bestimmen.

Details about this work

Schwarze Kreide, Deckweiß, grau laviert auf hellbraunem Papier; Einfassungslinien (schwarze Kreide) 241mm x 232mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22230 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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