Jan van Huysum, Zeichner
Ideale Landschaft mit der Flucht nach Ägypten, 1730 - 1733
Harzen hielt diese ganz dem niederländischen Geschmack des 18. Jahrhunderts verpflichtete Parklandschaft für eine arkadische Szenerie ohne inhaltliche Bedeutung. Bei der Figurengruppe rechts handelt es sich jedoch um die nach Ägypten flüchtende Heilige Familie (Matthäus 2, 13–15). Dies lässt sich ableiten aus der im Vordergrund dargestellten Legende vom heidnischen Standbild, das beim Vorbeizug des Heilandes seinen Kopf verliert. Zwei Wanderer kommentieren gestenreich dieses erstaunliche Geschehen.
Wie bereits für seine Blumenskizze (Inv.-Nr. 1952-91) verwendete Jan van Huysum auch hier in Öl getränkte Holzkohle; nun jedoch als beherrschendes Zeichenmittel und nicht nur zur Hervorhebung einzelner Motive. Mit weiteren in gleicher Technik gearbeiteten Kompositionsstudien bildet unser Blatt eine eigene Werkgruppe, die wiederum in kleinere Werkkomplexe unterteilt werden kann. Die Hamburger Zeichnung gehört mit einem annähernd formatgleichen Exemplar aus ehemaligem Besitz der Kunsthalle Bremen und einer Zeichnung im Londoner Courtauld Institute zu den kleiner dimensionierten Werken auf ehemals weißem Papier.(Anm.1) Größerformatige Zeichnungen in gleicher Ausführung befinden sich u. a. in Paris und niederländischem Privatbesitz, hinzu kommen zwei blaugrundige Arbeiten in Amsterdam und Budapest.(Anm.2) Robert-Jan te Rijdt datierte diese Zeichnungen um 1730/33. Vermutlich dienten sie als Kompositionsstudien für eine Modellsammlung zur Vorlage bei potentiellen Auftraggebern.(Anm.3) Entsprechende Gemälde sind bislang nicht bekannt, verwandte Kompositionen werden aber in alten Auktionskatalogen beschrieben.(Anm.4) Grundsätzlich war die „Flucht nach Ägypten“ bei Van Huysum ein beliebtes Staffagemotiv.(Anm.5)
Annemarie Stefes
1 Ehemals Kunsthalle Bremen, Kupferstichkabinett (Kriegsverlust), Inv.-Nr. 90/703 (188 x 252 mm), Kunsthalle Bremen, Dokumentation 1991, Nr. 1275; London, Courtauld Institute, Inv.-Nr. D.1952.RW.4421.
2 Paris, École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Inv.-Nr. Mas. 1733 (300 x 358 mm); Privatbesitz, Hans Verbeek, Robert-Jan te Rijdt, Marijn Schapelhouman: Travels through town and country. Dutch and Flemish landscape drawings 1550-1830, Ausst.-Kat. Haarlem, Teylers Museum, Curaçao 2000, Nr. 73, 317 x 403 mm. Auf blauem Papier: Amsterdams Historisch Museum, Inv.-Nr. TA 18451 (290 x 470 mm), Ingrid Oud, Leonoor van Oosterzee: Nederlandse Tekenaars geboren tussen 1660 en 1745, Oude tekeningen in het bezit van de Gemeentemusea van Amsterdam, waaronder de collectie Fodor, Zwolle 1999, Nr. 87; Budapest, Szépmüvészeti Múzeum, Inv.-Nr. 1917-202.
3 Eddy de Jongh, Ger Luijten: Mirror of Everyday Life. Genreprints in the Netherlands 1550-1700, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Ghent 1997.
4 Sam Segal, Mitteilung per E-Mail, 25. 10. 2009.
5 Siehe Anm. 4. Vgl. zwei mit Feder gezeichnete Darstellungen der „Ruhe auf der Flucht“, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1928-70, Sam Segal: De verleiding van Flora: Jan van Huysum 1682-1749, Ausst.-Kat. Delft, Stedelijk Museum Het Prinsenhof, Houston, Museum of Fine Arts, Zwolle 2006, Nr. L13; Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. T 8.