Jan van der Heyden

Der Brand eines Hauses auf dem Domplatz von Antwerpen

Der aus einer Mennonitenfamilie stammende Jan van der Heyden gehört zu den vielseitigsten Künstlerpersönlichkeiten des 17. Jahrhunderts. Neben seiner Tätigkeit als Maler von Stadtansichten und arkadischen Landschaften wurde er vor allem bekannt als Erfinder technischer Neuerungen und bekleidete wichtige Ämter in seiner Stadt.(Anm.1) Zu seinen bedeutenden Entwicklungen gehörte die 1672 gemeinsam mit seinem Bruder Nicolaas verbesserte Feuerspritze, die er patentieren und produzieren ließ und in mehreren von ihm selbst illustrierten Publikationen einem
breiten Publikum vorstellte: Nach einer knappen Broschüre aus dem Jahre 1677 erschien 1690 erstmals das „Brandspuitenboek“ („Brandspritzenbuch“).(Anm.2) Die vorliegende Zeichnung wurde als Illustrationsvorlage verwendet für die 1735 publizierte zweite Ausgabe dieses Werks, wie bereits Harzen in seinem Inventar vermerkte.(Anm.3) Weitere Illustrationsentwürfe befinden sich in Amsterdam und Privatbesitz.(Anm.4) Van der Heyden nutzte für die vorliegende Ansicht der Antwerpener Kathedrale, deren seitenverkehrte Wiedergabe die spiegelbildliche Übertragung durch den Stich bereits berücksichtigt, eine 1649 datierte Radierung Wenzel Hollars als Vorlage. Das oben links eingezeichnete rechteckige Feld war zur Aufnahme eines Textes bestimmt.
Diese späten Illustrationen unterscheiden sich von den nüchternen Abbildungen der Erstausgabe in den überhöhten Proportionen der Gebäude: Die Architekturwiedergabe steht eindeutig im Vordergrund, die Löscharbeiten dienen lediglich als rahmendes Repoussoir. Diese auch mit Blick auf die Tätigkeit der Feuerwehrmänner nahezu phantastischen Darstellungen finden ihre Parallele in späten Zeichnungen wie dem „Architekturcapriccio mit einem brennenden Gebäude“ oder den um 1700 angesetzten „Löschübungen bei der Londoner Börse“, womit ein Hinweis auf eine Entstehung an der Schwelle zum 18. Jahrhundert gegeben ist.(Anm.6)

Annemarie Stefes

1 1669 wurde er Direktor des Beleuchtungswesens, nachdem er die Straßenbeleuchtung von Amsterdam auf eigene Initiative reformiert hatte; 1673 wurden er und sein Bruder Nicolaas Oberbrandmeister der Stadt, ein Amt, das Jan bis zum Jahre 1692 bekleidete und dann seinem Sohn Jan II van der Heyden übergab, vgl. Peter C. Sutton: Jan van der Heyden (1637-1712), New Haven/London 2006, S. 22–23 und S. 26.
2 ‚Beschryving Der nieuwlijks uitgevonden en geoctroiyeerde Slang-Brand-Spuiten, En Haare wijze van Brand-Blussen, Tegenwoordig binnen Amsterdam in gebruik zijnde‘ (‚Beschreibung der kürzlich erfundenen und patentierten Schlauch-Brand-Spritze und ihrer Art Brände zu löschen, wie sie gegenwärtig in Amsterdam in Gebrauch sind’), vgl. De Vries 1984, S. 84; vgl. Peter C. Sutton: Jan van der Heyden (1637-1712), New Haven/London 2006, S. 25; vgl. ebd. zu weiteren Erfindungen Van der Heydens.
3 Offensichtlich plante Van der Heyden, einen vierten Band des Brandspritzenbuches herauszugeben, zu dessen Umsetzung es jedoch nicht mehr kam. Die dafür angefertigten Illustrationen, zu denen auch die vorliegende Zeichnung gehörte, wurden von der Familie des Künstlers 1735 mit der zweiten Ausgabe veröffentlicht, vgl. Wagner 1970, S. 134.
4 „Feuerwehrübung an der Rückseite des Amsterdamer Rathauses“, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1899-A-4206 (190 x 111 mm), Helga Wagner: Jan van der Heyden als Zeichner. Die Zeichnungen für das Buch über die 'Slang-Brandspuiten', in: Jahrbuch der Berliner Museen 12, 1970, S. 111-150, Abb. 21; „Feuerwehrübung an der Westerkerk“, Amsterdam, Koninklijk Oudheidkundig Genootschap, Portefeuille 32 (252 x 117 mm), ebd. Abb. 22; „Die Alte Börse in Amsterdam“, Privatbesitz, vgl. Helga Wagner: Jan van der Heyden als Zeichner. Die Zeichnungen für das Buch über die 'Slang-Brandspuiten', in: Jahrbuch der Berliner Museen 12, 1970, S. 111-150, S. 135.
5 Helga Wagner: Jan van der Heyden als Zeichner. Die Zeichnungen für das Buch über die 'Slang-Brandspuiten', in: Jahrbuch der Berliner Museen 12, 1970, S. 111-150, S. 139. Mit Ausnahme der äußeren Wendeltreppe und den später abgerissenen Buden entspricht die Darstellung im Wesentlichen dem heutigen Erscheinungsbild.
6 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1895,0915.1171; Amsterdam, Koninklijk Oudheidkundig Genootschap, Portefeuille 22, Helga Wagner: Jan van der Heyden als Zeichner. Die Zeichnungen für das Buch über die 'Slang-Brandspuiten', in: Jahrbuch der Berliner Museen 12, 1970, S. 111-150, Abb. 29, Schatborn 1995, S. 231. Zu diesen späten Zeichnungen vgl.Helga Wagner: Jan van der Heyden als Zeichner. Die Zeichnungen für das Buch über die 'Slang-Brandspuiten', in: Jahrbuch der Berliner Museen 12, 1970, S. 111-150, S. 139; eine Spätdatierung der Illustrationen für die zweite Ausgabe wurde auch von Wagner ebd., S. 148 vorgeschlagen.

Details about this work

Graphit, grau und graublau laviert; Griffelspuren; Rückseite teilweise geschwärzt; Einfassungslinien (Feder in Braun) 251mm x 118mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 22037 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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