Carel Fabritius, zugeschrieben
Rembrandt Harmensz. van Rijn, ehemals zugeschrieben

Die Verkündigung an die Hirten, um 1640

Harzen erwarb diese Zeichnung auf der Auktion Verbrugge als „Rembrandt“, inventarisierte sie jedoch unter dem Namen des Govert Flinck. Letzterer wurde noch von Valentiner in einer Mitteilung an Gustav Pauli (1919) als möglicher Urheber erwähnt, doch überwogen schlussendlich die Argumente zugunsten der 1925 publizierten Zuschreibung an Rembrandt.(Anm.1) Dieser Auffassung folgten auch Gerson und Benesch bei einer Datierung um 1648 bzw. in den Anfang der 1640er Jahre, während Sumowski die Zuschreibung an Flinck aufgriff und das Blatt, gemeinsam mit einer gezeichneten Hirtenverkündigung in München, mit Flincks Pariser Gemälde gleichen Themas assoziierte.(Anm.2) In der Tat stehen beide Zeichnungen diesem Bild näher als der 1634 datierten Radierung Rembrandts (H. 44), die gleichwohl als Inspirationsquelle angesehen werden muss. Wie Röver-Kann beobachtete, wurde auf den beiden Zeichnungen, stärker noch als auf dem Gemälde Flincks, die Distanz zwischen himmlischer und irdischer Sphäre reduziert, indem die Engel nahe an die Hirten herangerückt sind und die Wolken fast den Boden berühren.(Anm.3) Mehr noch als auf Radierung, Gemälde und der Münchner Zeichnung wird hier das vom geöffneten Himmel auf die Erde herabfließende Licht betont und wirkt fortschrittlicher als die allein den Verkündigungsengel und seine Begleiter umgebende Lichtaureole der anderen Fassungen.
Zuletzt wurden die beiden gezeichneten „Verkündigungen“ in Hamburg und München nur unter Vorbehalt dem Œuvre Rembrandts angeschlossen.(Anm.4) Erst kürzlich wies Holm Bevers alternativ auf den Kontext mit einer Gruppe von Zeichnungen, die von Peter Schatborn Carel Fabritius zugeschrieben wurden.(Anm.5) Übereinstimmende Stilmerkmale wie die breit schleppenden Umrisslinien, die ausführlichen, oft zweifarbigen Lavierungen, die feinen Parallelschraffen und die unruhige Beleuchtung mit hellen Lichtflecken, wie man sie hier auch in den Randbereichen beobachten kann,(Anm.6) deuten tatsächlich auf dieselbe Hand. Letztlich fehlt für diese auf stilkritischen Beobachtungen basierende Zuschreibung jedoch ein sicherer Anhaltspunkt, so dass das Blatt nur unter Vorbehalt Carel Fabritius zugeordnet werden kann.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Mündlich, August 1919, gemäß einer von Gustav Pauli verfassten Notiz in der Museumskartei, Archiv des Kupferstichkabinetts der Hamburger Kunsthalle („Von W. Valentiner mit Bestimmtheit Rembrandt abgesprochen. Ev. für Flinck oder Eeckhout angesehen“). An Rembrandts Hand dachte auch Karl Woermann gemäß der Verso-Notiz.
2 München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 5146, Wolfgang Wegner: Die niederländischen Handzeichnungen des 15.-18. Jahrhunderts. Textband, Kataloge der Staatlichen Graphischen Sammlung München, 2 Bde, München 1973, Bd. 1, Nr. 1092; Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures, Inv.-Nr. 1291, Werner Sumowski: Gemälde der Rembrandt-Schüler, 6 Bde., Landau 1983, Bd. 2, Nr. 615. – Marianne Bernhard (1976) hielt das Blatt für eine Kopie des Philips Koninck nach Rembrandt. Die Zuschreibung an Van den Eeckhout, siehe Anm. 1, wurde wieder aufgegriffen von Jan Białostocki: Rembrandt et ses élèvers: Trois problèmes, in: Nadbitka z Biuletynu Historii Sztuki 18, 1956, S. 349-369, S. 366–367.
3 Röver-Kann, in: Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, S. 118 attestierte dem Beieinander von Engeln und Hirten einen nahezu genrehaften Charakter.
4 Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff: Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000; Rembrandt auf Papier. Werk und Wirkung, bearbeitet von Thea Vignau-Wilberg, Ausst.-Kat. München, Amsterdam, München 2001.
5 Bevers auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle; diese Auffassung wurde gestützt von Peter Schatborn (Mitteilung per E-Mail, 4. 3. 2010). Vgl. Zeichnungen in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1930-15, Inv.-Nr. RP-T-1883-A-217, Inv.-Nr. RP-T-1930-31, Inv.-Nr. RP-T-1886-A-629 und Inv.-Nr. RP-T-1889-A-2057, Peter Schatborn: Tekeningen van Rembrandt, zijn onbekende leerlingen en navolgers, Catalogus van de Nederlandse Tekeningen in het Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Bd. 4, Amsterdam 1985, Nr. 61-65; vgl. Peter Schatborn: Drawings Attributed to Carel Fabritius, in: Oud Holland 119, 2006, S. 130-138, Abb. 1–3. Für den malerisch-großzügig angelegten Hintergrund kommt unsere Zeichnung Fabritius’ „Merkur, Argus und Io“ sehr nahe, Los Angeles County Museum of Art, Inv.-Nr. M. 90.20, vgl. Peter Schatborn: Drawings Attributed to Carel Fabritius, in: Oud Holland 119, 2006, S. 130-138, Abb. 8.
6 Vgl. eine Zeichnung in Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart, Benesch 1954–57, Bd. 3, Nr. 500, Frederik J. Duparc, Gero Seelig, Ariane van Suchtelen: Carel Fabritius 1622-1654, Ausst.-Kat. Den Haag, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Schwerin, Staatliches Museum Schwerin, Den Haag 2004, Abb. 62.
7 Hierzu auch Peter Schatborn: Drawings Attributed to Carel Fabritius, in: Oud Holland 119, 2006, S. 130-138, S. 138. Eine von Michiel Plomp Fabritius zugeschriebene Zeichnung in New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 06.1042.10, Vermeer and the Delft School, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum, New York 2001, Nr. 115, steht unserem Blatt nicht allzu fern.

Details about this work

Feder in Braun, Pinsel in Braun und Grau auf gelblichem Karton, stellenweise überarbeitet mit Deckweiß; Einfassungslinien (Feder in Schwarz) 176mm x 200mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21945 Collection: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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