Lodewyk Toeput (Pozzoserrato)
Freie Ansicht von Florenz, um 1574
Als akzeptiert gilt die von Haverkamp Begemann vorgeschlagene Zuschreibung an Lodewijk Toeput, entgegen der alten, noch von Pauli aufrecht erhaltenen Zuweisung an Hendrick van Cleve.(Anm.1) Gerszi zählte das Blatt zu den besten Stadtansichten des Künstlers. Paulis Beschreibung der Zeichnung als naturgetreue Vedute von Florenz wurde bereits von Lugt bezweifelt und von Mielke dahingehend korrigiert, dass es sich um eine freie Zusammenstellung Florentiner Motive handelt.(Anm.2) Allerdings ist die dort vorgeschlagene Identifizierung der Brücke mit dem schon im Mittelalter bebauten „Ponte Vecchio“ auszuschließen, wie von Tilman Falk hervorgehoben wurde, der hier zusätzlich Anklänge an das Stadtbild von Verona beobachtete und auf die Nähe zu einer stilistisch verwandten Verona-Vedute Toeputs verwies.(Anm.3) Deren Datierung in das Jahr 1574 gibt einen Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung unseres Blattes. Es wäre, auch mit Blick auf die noch ganz dem niederländischen Landschaftsstil verhafteten Ausdrucksformen, kurz nach Toeputs Ankunft in Italien (um 1573) anzusetzen.(Anm.4)
Eine ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnende Zeichnung in Göttingen ist wie unser Blatt aus zwei Bögen zusammengesetzt, bei etwas größerem Format.(Anm.5) Offensichtlich reagierte Toeput mit derartigen Zeichnungen auf ein im ausgehenden 16. Jahrhundert aufkommendes Sammlerinteresse an topographischen Darstellungen.(Anm.6) Diese Zeichnungen bildeten im 17. Jahrhundert einen Schwerpunkt der Sammlung des Johannes Furnerius, in dessen Besitz sich auch das Hamburger Blatt befand. Aus der gleichen Sammlung stammt eine weitere Vedutenzeichnung der Hamburger Kunsthalle, die Herri met de Bles zugeschriebene „Ansicht von Dinant“.(Anm.7)
Annemarie Stefes
1 Haverkamp-Begemann in einer undatierten Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts. Bei Menegazzi 1958 wurde unser Blatt nicht erwähnt; dagegen schlossen sich Mielke, in: Pieter Bruegel als Zeichner, Ausst.-Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Berlin 1975 und Teréz Gerszi: The Draughtmanship of Lodewijk Toeput, in: Master Drawings 30, 1992, S. 367-395 dem Votum Haverkamp Begemanns an.
2 Frits Lugt: Rezension zu Pauli 1924, in: La Revue d'Art 47, 1925 und Mielke, in: Pieter Bruegel als Zeichner, Ausst.-Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Berlin 1975.
3 Mündlich und in einem Schreiben vom 27. 6. 2005. Die Zeichnung im Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Inv. 1978.574, Legat Dr. August Meyer, von Falk bereits 1978 Toeput zugeschrieben, wurde publiziert von Teréz Gerszi: Recent Contributions to Lodewijk Toeput's Œuvre of Drawings, in: Ex Fumo Lucem. Baroque Studies in Honour of Klára Garas, hrsg. von Zsuzsanna Dobos, Budapest 1999, S. 89-96, Abb. 1 (unter falschen Angaben von Inventarnummer und Maßen).
4 Bei derartigen Datierungsversuchen ist zu berücksichtigen, dass Toeputs Landschaftszeichnungen in Stil und Ausführung gemäß ihrer Funktion variieren, vgl. Teréz Gerszi: The Draughtmanship of Lodewijk Toeput, in: Master Drawings 30, 1992, S. 367-395, S. 373. – Vgl. Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, S. 366–367 zu dem frühen Stil des Künstlers.
5 Göttingen, Kunstsammlung der Georg-August-Universität, Inv.-Nr. Sammlung Uffenbach, H 464 (240 x 857 mm), Gerd Unverfehrt (Hrsg.): Zeichnungen von Meisterhand. Die Sammlung Uffenbach aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen, Ausst.-Kat. Koblenz, Mittelrhein-Museum, Göttingen, Kunstsammlungen der Universität, Oldenburg, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Frankfurt am Main, Historisches Museum, Göttingen 2000, Nr. 72, vgl. ebd., S. 188.
6 Vgl. die vor 1578 datierte „Ansicht von Fondi“, Washington, National Gallery of Art, Inv.-Nr. B. 25,821, An Zwollo: Ein Beitrag zur niederländischen Landschaftsmalerei um 1600. Stadtansichten und antike Ruinen unter besonderer Berücksichtigung des rudolfinischen Kreises, in: Umeni 31, 1983, S. 399-412, Abb. 6; die „Ansicht von Feltre“, Ottawa, National Gallery of Canada, Inv.-Nr. 14586, European Drawings from the National Gallery of Canada, Ottawa, Ausst.-Kat. London, Colnaghi's 1969, Nr. 24 und die „Ansicht der Engelsburg in Rom“, St. Petersburg, Staatliches Museum Eremitage, Inv.-Nr. 7464, Irina Artemieva: Nuove aggiunte al corpus grafico del Pozzoserrato, in: Arte Documento 14, 2000, S. 114-117 Abb. 3. Wie Teréz Gerszi: The Draughtmanship of Lodewijk Toeput, in: Master Drawings 30, 1992, S. 367-395, S. 374 betonte, begegnete Toeput diesem Marktinteresse auch mit Kopien nach dem von Georg Braun und Franz Hogenberg 1572 bzw. 1575 veröffentlichten Atlas „Civitates Omnis Terrarum“: Vgl. die in der sorgfältigen Ausführung unserem Blatt verwandten „Ansicht von Wien“, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/468 (244 x 411 mm), Teréz Gerszi: The Draughtmanship of Lodewijk Toeput, in: Master Drawings 30, 1992, S. 367-395, Nr. 6; „Kloster von Yuste“, Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 26336, ebd. Nr. 8.
7 Inv.-Nr. 23921, vgl. ebd. mit Literaturverweisen zur Identifikation der alten Sammlermarke. Turner 2006, S. 147–148 beobachtete unter den bislang Furnerius zugeordneten Zeichnungen eine Vorliebe für Landschaften, in der sich möglicherweise die Spezialisierung seines Sohnes Abraham reflektierte.